Mailversand reicht nicht als "Anscheinsbeweis" für den Zugang

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln reicht es als "Anscheinsbeweis" für den Zugang einer E-Mail beim Empfänger nicht aus, wenn der Absender nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält (LAG Köln, Urteil vom 11.1.2022 – 4 Sa 315/21). Wie das Gericht klarstellte, liegt die Darlegungs- und Beweislast in einem solchen Fall beim Absender der Nachricht.

Anlass für das Urteil war ein Rechtsstreit um die Rückzahlung von Ausbildungskosten. Der Kläger ist Pilot. Die Fluggesellschaft, bei dem er seine Ausbildung absolvierte, gewährte ihm ein Darlehen zur Finanzierung der Ausbildung. Im Darlehensvertrag war geregelt, dass der Arbeitgeber auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn er aus betrieblichen Gründen dem Beschäftigten nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Ende der Ausbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.

Umstritten war schließlich, ob der Darlehensnehmer am letzten Tag der Frist eine E-Mail des Arbeitgebers mit einem Beschäftigungsangebot erhalten hat. Der Arbeitgeber verwies auf sein Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und er daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Der Kläger dagegen gab an, eine solche E-Mail sei erst drei Tage später bei ihm eingegangen.

Im anschließend vereinbarten Arbeitsverhältnis behielt der Arbeitgeber monatlich je 500 Euro als Darlehensrückzahlung vom Lohn des Mitarbeiters ein. Er war der Meinung, die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Dem Mitarbeiter sei rechtzeitig ein Arbeitsplatz angeboten worden. Der Arbeitgeber vertrat den Standpunkt, er könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des "ersten Anscheins" berufen. Der Pilot klagte auf Rückzahlung des vom Arbeitgeber einbehaltenen Lohns und bekam sowohl vor dem zuständigen Arbeitsgericht als auch in der Berufungsverhandlung vor dem LAG Köln Recht.

Die Versendung der E-Mail begründe "keinen Anscheinsbeweis" für den Zugang beim Empfänger, entschied das LAG. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Das Gericht wies darauf hin, dass der Versender – um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat – die Möglichkeit habe, eine Lesebestätigung anzufordern.

Stand: April 2022