Der EuGH hatte im Januar 2022 entschieden, dass eine tarifliche Regelung gegen EU-Recht verstößt, die für die Berechnung, ob und für wie viele Stunden einem Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge zustehen, nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden und nicht die Zeiten von bezahltem Urlaub berücksichtigt (EuGH, C-514/20 vom 13.01.2022). Darauf hat sich nun das Bundesarbeitsgericht berufen und einem Arbeitnehmer Recht gegeben, der von seinem Arbeitgeber einen Zuschlag nachforderte (BAG, Urteil vom 16.11.2022 - 10 AZR 210/19).
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte ein Leiharbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen Mehrarbeitszuschlag für den Monat August 2017. Auf diesen Monat entfielen 23 Arbeitstage, der Leiharbeitnehmer arbeitete 121,75 Stunden und nahm 10 Tage Urlaub. Die Urlaubstage rechnete sein Arbeitgeber mit 84,7 Stunden ab. Im auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit ist geregelt, dass die Arbeitnehmer für Zeiten, die über eine bestimmte Stundenanzahl hinausgehen, Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge haben. Für Monate mit 23 Arbeitstagen war der Zuschlag für Zeiten festgelegt, die über 184 geleistete Stunden hinausgehen. Im vorliegenden Fall war also für den Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag entscheidend, ob die genommenen Urlaubsstunden mitgerechnet werden oder nicht.
Das BAG entschied zugunsten des Klägers. Die tarifliche Regelung müsse bei gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nicht nur tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch Urlaubsstunden bei der Frage mitzählen, ob der Schwellenwert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, überschritten wurde, so das BAG. Das bedeutet: Die Inanspruchnahme von bezahltem Urlaub darf einem Arbeitnehmer hinsichtlich des Anspruchs auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge nicht zum Nachteil werden. Es würde dem Zweck des Erholungsurlaubs widersprechen, wenn Arbeitnehmer ihren Urlaub nur deshalb nicht nähmen, um einen Mehrarbeitszuschlag zu bekommen.