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Das ist leider nicht immer so einfach. Gerade wenn Betroffene schon seit Jahrzehnten an ihren Nägeln kauen. Bei Kindern ist es allerdings oft „nur“ eine Phase, die problemlos wieder verschwindet. Besonders dann, wenn die Ursache harmlos ist.
Fingernägelkauen zählt zu den körperbezogenen repetitiven Verhaltensweisen
Aus medizinischer Sicht zählt das Fingernägelkauen zu den sogenannten körperbezogenen repetitiven Verhaltensweisen. Auch die Skin-Picking Disorder - der Drang, sich immer wieder an seiner Haut herumzukratzen, sie zu quetschen oder Pickel auszudrücken sowie die Trichotillomanie – das Herausreißen der eigenen Haare – zählen dazu. Oft ist dann auch von einer Impulsstörung die Rede.

Seelische Gesundheit
Welche Ursachen liegen dem Fingernägelkauen zugrunde?
Dachte man früher, dass regelmäßiges Fingernägelknabbern immer eine psychische Störung sei, weiß man heute, dass es viele Ursachen haben kann, die zwar oft mit tieferen psychischen Belastungen zusammenhängen, aber nicht immer. Was es aber auf jeden Fall ist: ein lästiger, unschöner, manchmal schmerzhafter, meist unbewusster und zwanghafter Automatismus.
Mögliche Ursachen für Fingernägelkauen
- Stress, Unruhe, Ängste, Nervosität, Konflikte – also eine Kompensation belastender Erlebnisse/Phasen/Gefühle
- Langeweile/Unterforderung (im Job, Kindergarten, in der Schule)
- Konzentrationshilfe
- Aufregung/Anspannung (z. B. wenn ihr einen spannenden Film guckt)
- Angewohnheit/Tick (der/dem nicht zwingend ein negatives Gefühl zu Grunde liegen muss)
Risiken der Onychophagie
Wenn es keine tiefgreifende psychologische Ursache hat, scheint Onychophagie ziemlich harmlos. Allerdings kann sie selbst dann zu einer großen Belastung werden. Zum einen, weil sich bei stark abgenagten Nägeln die Fingerkuppen und das Nagelbett entzünden können und zum anderen, weil man sich möglicherweise für sein „Handwerk“ vor anderen schämt. Und spätestens dann ist auch wieder die Psyche mit im Spiel.
Wie findet man die Ursache fürs Fingernägelkauen?
Stellt ihr bei euren Kindern oder euch selbst fest, dass die Hand regelmäßig zum Mund wandert, ist es wichtig, den Ursachen behutsam auf den Grund zu gehen. Beobachtet eure Liebsten oder euch, um festzustellen, in welchen Situationen geknabbert wird und welche Emotionen involviert sein könnten. In der Regel sind es immer passive Situationen – also Momente, in denen man Hände nicht oder wenig braucht. Etwa beim Fernsehen, Lesen, Lernen, Autofahren, Nachdenken usw.
So könnt ihr euch und euren Kindern das Fingernägelkauen wieder abgewöhnen
Der wichtigste Punkt ist also, euch der Ursache bewusst zu werden und hilfreichere Strategien zu entwickeln, um z. B. mit belastenden Situationen und Gefühlen besser umzugehen. Hier die wichtigsten Tipps!
- 1
Feingefühl
Kauen eure Kinder an den Fingernägeln, ist sehr viel Feinfühligkeit gefragt. Fallt nicht direkt mit der Frage ins Haus, warum euer Kind an den Nägeln kaut, sondern tastet euch langsam heran. Beispielsweise indem ihr fragt, wie es eurem Kind gerade geht, ob generell etwas Negatives vorgefallen ist und habt Geduld, bis es sich euch anvertraut. Meist haben Eltern bereits eine Vorahnung. Auch dann gilt: Versucht behutsam mit eurem Kind darüber zu sprechen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. - 2
Loben
Lobt euch und euer Kind, wenn ihr erste Erfolge erzielt habt und seid sanft zu euch, wenn ihr doch zwischendurch wieder schwach geworden seid. Kinder dafür zu bestrafen, bewirkt dagegen das Gegenteil und ihr verliert euren Vertrauensvorschuss.Verbale Gewalt: Deshalb solltet ihr eure Kinder nicht anschreien! - 3
Pflegerituale
Um den Händen und Fingern mehr positive Aufmerksamkeit und eine entspannende Zeit zu widmen, ist ein abendliches Pflegeritual mit einer Handmassage, Nagelpflege und einer angenehm duftenden Pflegecreme eine gute Alternative zum Nägelkauen. Um am Abend und in der Nacht das Knabbern zu verhindern, können Baumwollhandschuhe hilfreich sein. - 4
Bitterer Nagellack
Eine einfache Möglichkeit, sich das Fingernagelkauen abzugewöhnen, ist bitterer Nagellack. Allerdings sollten dennoch immer die Ursache und nicht nur das Symptom behandelt werden. Ob bitterer Nagellack für eure Kinder überhaupt geeignet ist, solltet ihr individuell und mithilfe von Expert*innen entscheiden. - 5
Entkopplungsmethode/-behandlung
Eine wissenschaftlich erprobte Selbsthilfetechnik ist die sogenannte Entkopplung oder Reaktionsumkehr. Ursprünglich stammt sie aus der Verhaltenstherapie („Habit Reversal Therapy)“ und sei laut dem Hamburger Neuropsychologen Professor Steffen Moritz in abgewandelter Form als Selbsthilfetechnik gegen Fingernägelkauen und -pulen wirksam.
So funktioniert sie: In dem Augenblick, indem eure Hand eigentlich zum Mund wandert, macht ihr euch euer Vorhaben bewusst. Statt dann dem Drang nachzugeben, trainiert ihr euch ein alternatives Verhalten an. Beispielsweise führt ihr die Hand nicht mehr zum Mund, sondern ans Ohrläppchen. So entkoppelt und verlernt ihr euer „Fehlverhalten“ und ersetzt es durch ein neues. Und wie es mit neuen Dingen so ist, verinnerlichen wir sie erst so richtig, indem wir sie immer wieder üben. - 6
Therapeutische Hilfe
Bei intensivem Fingernägelkauen verbunden mit einem hohen Leidensdruck, ausgeprägter Angst vor Kontrollverlust und bei ursächlichen psychischen Problemen ist eine Psychotherapie empfehlenswert. Dabei muss es sich nicht zwingend um eine Verhaltenstherapie handeln. Auch Körper-/, Kunst oder tiefenpsychologische Therapien können je nach Ursache hilfreich sein.mentalis CareNow: Soforthilfe für junge Menschen mit psychischen Belastungen
Quellen
- Acta Dermatovenerologica Alpina:"Prevalence of onychophagia and its relation to stress and quality of life"
- Springer Nature:Habit Reversal Training and Variants of Decoupling for Use in Body-Focused Repetitive Behaviors