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Laut einer aktuellen Studie verursachten Long COVID und ME/CFS im Jahr 2024 in Deutschland Gesundheits- und Wirtschaftskosten von insgesamt rund 63 Milliarden Euro. Davon entfielen etwa 30,9 Milliarden Euro allein auf ME/CFS. Ende 2024 waren schätzungsweise 650.000 Menschen von ME/CFS und zusätzlich rund 870.000 Personen von Long COVID betroffen – mit steigender Tendenz. Nicht berücksichtigt sind dabei diejenigen, die seit 2020 aufgrund eines anderen Infekts als SARS-CoV-2 an ME/CFS erkrankt sind. Zwar sind hauptsächlich Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren betroffen, aber prinzipiell trifft es alle Altersgruppen (einschließlich Kinder), Geschlechter und soziale Schichten.
Was ist ein chronisches Belastungssyndrom (ME/CFS)?
Das chronische Belastungssyndrom ist mittlerweile unter dem Namen Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) oder als einzelne Abkürzung ME bzw. M. E. geläufig und wird seit 1969 von der World Health Organisation (WHO) unter dem ICD-10-Code G93.3 als neurologische Erkrankung klassifiziert. Das Hauptsymptom ist PENE (Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion) – eine extreme Belastungsintoleranz. ME/CFS kann plötzlich auftreten oder sich über einen längeren Zeitraum entwickeln. Mittlerweile sind mehr als 40 Millionen Menschen weltweit daran erkrankt. Betroffene können ihren Alltag immer schlechter bis gar nicht mehr bewältigen und es führt oft zu einem hohen Grad an Behinderungen. Pflegebedürftigkeit, Schul- oder Arbeitsunfähigkeit und eine komplette Hausgebundenheit gehören daher oft zum Alltag ME-Erkrankter. Laut einer Studie der Aalborg Universität aus 2015 ist ihre Lebensqualität niedriger als die von Menschen, die an MS-, Schlaganfall- oder Lungenkrebs erkrankt sind. In manchen Fällen kann ME/CFS auch zum Tod führen.
ME/CFS-Schweregrade
ME/CFS wird in vier Schweregrade unterteilt:
- Mild:eingeschränkte Belastbarkeit, Betroffene verzichten häufig auf Freizeitaktivitäten, um Arbeit/Ausbildung noch zu schaffen.
- Moderat:deutliche Einschränkungen, berufliche Tätigkeit oft nicht mehr möglich, Zustände schwanken und verschlechtern sich nach Belastung.
- Schwer:nur minimale Aktivitäten wie Zähneputzen sind möglich, alltägliche Aufgaben wie Duschen oder Kochen erfordern Hilfe, häufig Rollstuhlbedarf, Leben meist im Haus.
- Sehr schwer:vollständige Bettlägerigkeit mit umfassender Pflegebedürftigkeit, starke Empfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen und Berührung, Kommunikation oft nur eingeschränkt möglich.
Welche Symptome treten beim chronischen Erschöpfungssyndrom auf?
Zur dauerhaften massiven Erschöpfung und Müdigkeit, für die es keine eindeutige bekannte körperliche und psychologische Ursache gibt, können diverse weitere körperliche und psychologische Beschwerden und Komorbiditäten dazu kommen wie z.B.:
- Schlafstörungen
- Erkältungssymptome
- Kopfschmerzen
- Kognitive Beschwerden (Brain Fog) wie Konzentrationsprobleme, Wortfindungsstörungen, Probleme beim Lesen und Schreiben, Vergesslichkeit (Kurzzeitgedächtnis)
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden wie z.B. Übelkeit, Durchfall/Verstopfung, Darmkrämpfe, Reizdarm/Leaky Gut
- extreme Muskelschwäche
- Angst- und Panikattacken
- Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) – dazu zählen allergische Symptome wie Ganzkörperjuckreiz (Utikaria), Hautausschläge, juckende und tränende Augen/Nase, Niesen, Asthma bronchiale, Petechien (kleine Blutschwämmchen), Augen(lid)-Entzündungen und Gerstenkörner
- Posturales Tachykardiesyndrom (PoTS)/Orthostatische Intoleranz (OI)
- Small Fiber Neuropathie – Nervenschmerzen, Brennen, Taubheit und Kribbeln (z. B. in den Extremitäten und im Gesicht)
- Fibromyalgie
- Muskelzucken
- Sehstörungen
- Temperaturregulationsstörungen (manche kämpfen z. B. mit Schweißausbrüchen, andere frieren selbst bei hohen Temperaturen extrem)
- Reizblase
- Unterleibs- und Zyklusbeschwerden wie das chronische Beckenschmerzsyndrom/Chronic Pelvic Pain Syndrome (CPPS), verstärkte Endometriose und stärkere Schmerzen/Krämpfe ab dem Eisprung
- Reizüberempfindlichkeit auf Geräusche, (Tages-)Licht, Gerüche und Berührungen
- Sicca-Syndrom: trockene Augen und trockene Mundschleimhäute
- Hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS)
- Tinnitus
- Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenunterfunktion)
Was ist die Ursache für ME/CFS?
ME/CFS gilt als multifaktoriell – mehrere Auslöser und Mechanismen sind wahrscheinlich für die Erkrankung verantwortlich. Neuere Studien identifizieren unter anderem:
- Virus- und bakterielle Infekte wie Herpesviren (Epstein-Barr-Virus (EBV), Gürtelrose und Zytomegalie-Virus), Dengue- oder Influenza-Viren, Corona (Long COVID/Post COVID) sowie bakterielle Infekte wie Lyme-Borelliose gelten als Hauptverursacher/Trigger für ME/CFS.
- Virusreaktivierungen, also das Wiederaufflammen „schlafender“ Viren im Körper wie Herpesviren und Co. durch z. B. Corona oder die Corona-Impfung.
- Impfungen, die vermutlich die gleichen Reaktionen und Symptome hervorrufen können, wie der Virusinfekt (durch die Virus-DNA) selbst. Aus Post Vac kann also auch ME/CFS entstehen.
- Genetische Prädisposition, also eine Veranlagung durch bestimmte Gene, die das Risiko erhöhen könnten.
- Fehlregulation des Immunsystems/Autoimmunreaktionen, z. B. Bildung von Autoantikörpern (z. B. nach einer Corona-Infektion oder Impfung).
Neben den Auslösern zeigen aktuelle Studien auch mögliche körperliche Schädigungen und Störungen:
- Mitochondriale Dysfunktion:Die „Kraftwerke“ der Zelle verlieren vermutlich ihre Effektivität, was zu verminderter Energieproduktion und erhöhter Ermüdbarkeit führt.
- Störungen des Darmmikrobioms:Ein Ungleichgewicht der Darmflora könnte Entzündungen fördern und die Immunantwort beeinträchtigen.
- Veränderungen im Gehirn/Nervensystem:Auch gibt es Hinweise auf Neuroinflammation (Entzündungsprozesse im Nervengewebe), Verlust von Gehirnsubstanz und gestörte Signalübertragung zwischen Nervenzellen (z. B. Broken-Bridge-Syndrome).
- Immunsystemische Dysregulation:Neben Autoimmunprozessen werden anhaltende Entzündungsreaktionen, eine gestörte Balance zwischen verschiedenen Immunzellen und Reaktivierung latenter Viren beobachtet.
- Verstärkende Faktoren:Stress, hormonelle Schwankungen (z. B. Cortisol, Schilddrüsenfunktion), Bewegungsmangel oder negative psychosoziale Faktoren können diese Prozesse verstärken oder die Beschwerden verschlimmern – allein erklären sie ME/CFS jedoch nicht.

Darmgesundheit beginnt beim Mikrobiom
Wenn von Darmgesundheit die Rede ist, fällt immer häufiger der Begriff Mikrobiom (Darmflora). Ziemlich einleuchtend, denn unsere Gesundheit ist maßgeblich von unserem Bauchhirn – dem Darm – abhängig. Gerät es in Schieflage, kann sich dies negativ auf Körper und Seele auswirken.
Diagnose und Behandlung des Chronischen Fatigue-Syndroms
ME/CFS-Diagnose ist komplex
Das Chronische Fatigue-Syndrom ist eine schwer zu diagnostizierende Erkrankung. Es gibt bislang keine eindeutigen Biomarker oder Labortests, die ME/CFS zweifelsfrei nachweisen. Die Diagnose erfolgt daher nach einem Ausschlussverfahren, bei dem andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, wie etwa Depressionen, Autoimmunerkrankungen oder hormonelle Störungen, ausgeschlossen werden müssen.
Überblick über die wichtigsten ME/CFS-Diagnosekriterien
Zur Diagnose von ME/CFS müssen die Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen und dürfen nicht durch andere Erkrankungen erklärbar sein. Internationale Fachgremien haben dafür verschiedene Kriterien entwickelt, die sich in Genauigkeit und Schwerpunkt unterscheiden. Besonders wichtig ist das Symptom der Belastungsintoleranz (PEM oder PENE) – eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Derzeit erfolgt die Diagnose meist anhand der Kanadischen Kriterien (CCC).
Kürzel | Jahr | Herausgeber | Zentrale Merkmale |
|---|---|---|---|
| CDC / Fukuda-Kriterien | 1994 | Centers for Disease Control and Prevention (USA) | Erste offizielle Definition von „CFS“. PEM ist nicht zwingend erforderlich, weshalb die Kriterien heute als zu unspezifisch gelten. |
| CCC (Canadian Consensus Criteria) | 2003 | Kanadische Expertengruppe | Präzisere Kriterien mit verpflichtender Postexertioneller Malaise (PEM). Bezieht zusätzlich neurologische, immunologische und autonome Symptome ein. |
| ICC (International Consensus Criteria) | 2011 | Internationales Expertenteam | Weiterentwicklung der CCC. Beschreibt ME/CFS als neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Führt den Begriff PENE (Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion) ein – eine neuroimmun bedingte, langanhaltende Erschöpfung nach Belastung. |
| IOM / SEID (Institute of Medicine / Systemic Exertion Intolerance Disease) | 2015 | Institute of Medicine (heute National Academy of Medicine, USA) | Vereinfachte Definition mit drei Kernkriterien: PEM, nicht erholsamer Schlaf und kognitive oder orthostatische Störungen. Der Begriff SEID sollte ME/CFS ersetzen, hat sich jedoch kaum durchgesetzt. |
Ausschlussdiagnostik
Da viele Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen einhergehen und es zudem viele Untererkrankungen bei ME/CFS gibt, sind verschiedene Untersuchungen erforderlich:
- Blut- und Urintests,:um Infektionen, Nährstoffmängel, Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis und/oder hormonelle Störungen festzustellen.
- Herz-Kreislauf-Untersuchungen, :um orthostatische Dysfunktionen zu identifizieren. Hierfür eignet sich zum Beispiel der Schellong- oder Kipptischtest.
- Neurologische Tests und bildgebende Verfahren: um kognitive und körperliche Einschränkungen zu bewerten. Dazu zählt auch die Hautbiopsie, um eine Small-Fiber-Neuropathie diagnostizieren zu können. Um Tumore, Trigeminusneuralgie und MS auszuschließen, eignen sich MRT und CT.
- Schlaflaboruntersuchungen:um andere Ursachen für nicht erholsamen Schlaf auszuschließen.
- Handkraftmessung:um die muskuläre Erschöpfbarkeit zu bewerten.
- Lumbalpunktion:um andere Erkrankungen, Entzündungen oder Anomalien auszuschließen.
- Rheumatologische Tests:um rheumatologische Erkrankungen festzustellen.
Behandlung: Individuelle Therapieansätze
Da es bisher keine Heilung für ME/CFS gibt, konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die Therapie ist individuell und interdisziplinär ausgerichtet.
Pacing: Energiemanagement zur Vermeidung von Überlastung
Pacing ist eine zentrale Strategie für ME/CFS-Patient*innen. Dabei wird der Alltag so strukturiert, dass Überlastungen vermieden werden. Das Ziel ist es, Aktivitäten in einem Maß auszuführen, das keine postexertionelle Malaise (PEM/PENE) auslöst.
Empfohlene Methoden:
- Aktivitäts-Tagebuch führen Aufzeichnen, welche Aktivitäten Symptome verschlechtern
- „Envelope-Theorie“ oder „Spoon-Theory" Nur eine begrenzte Menge an Energie pro Tag nutzen.
- Ruhepausen einplanen Regelmäßige Erholungspausen zwischen den Aktivitäten einbauen.
- Hilfsmittel wie Kopfhörer, Augenmaske, Oximeter/Smartwatch, Kompressionsstrümpfe, Rollstuhl,/Gehwagen, Hochstuhl, um z. B. an die Küchenarbeitsplatte zu kommen, Duschstuhl etc.
Medikamentöse Therapie: Symptomatische Behandlung
Da bislang keine spezifisch zugelassenen Medikamente für ME/CFS existieren, erfolgt die Behandlung symptomorientiert. Da viele der ME/CFS-Erkrankten eine Medikamentensensitivität entwickelt haben, sollte mit der geringsten Dosis begonnen werden, um zu testen, ob das jeweilige Medikament überhaupt infrage kommt. Daher ist eine ärztliche Abklärung und Überwachung bei allen Behandlungen stets erforderlich, da Wirkung und Verträglichkeit individuell stark variieren.
Je nach Beschwerdebild können folgende Wirkstoffe – teils als Off-Label-Medikamente und Selbstzahlerleistung – eingesetzt werden:
- Schmerztherapie Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder niedrig dosierte Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Duloxetin) können Schmerzen lindern. In manchen Fällen helfen auch Antiepileptika wie Pregabalin oder Gabapentin oder das Nahrungsergänzungsmittel PEA (Palmitoylethanolamid) bei neuropathischen Schmerzen.
- Schlafregulation Melatonin oder niedrig dosierte trizyklische Antidepressiva fördern den Schlaf und regulieren den Tag-Nacht-Rhythmus. Zusätzlich wird teils Agomelatin (ein Melatonin-Analogon) als Off-Label eingesetzt.
- Orthostatische Intoleranz Betablocker, Ivabradin oder eine erhöhte Salz- und Flüssigkeitszufuhr unterstützen die Kreislaufstabilität. Bei ausgeprägter orthostatischer Hypotonie kann auch Fludrocortison hilfreich sein. Ein weiterer Ansatz ist Mestinon, das die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln verbessern und so Kreislaufschwäche, Schwindel und Belastungsintoleranz reduzieren kann.
- Kognitive und neuroinflammatorische Symptome Zur Verbesserung von Konzentration, Gedächtnis und Fatigue und zum Teil zur Schmerzlinderung kommen Low-Dose Naltrexon (LDN), Low-Dose Aripiprazol/Abilify (LDA) oder Vortioxetin zum Einsatz. Sie zielen auf eine Modulation neuroinflammatorischer Prozesse und der Signalübertragung im zentralen Nervensystem ab.
- Antihistaminika und Nahrungsergänzungsmittel Beim Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) kommen Antihistaminika wie Ketotifen, Rupatadin, Famotidin und Azelastin und Nahrungsergänzungsmittel wie Quercetin und Vitamin C zum Einsatz. Diese können überschießende Immunreaktionen, Haut- und Schleimhautsymptome sowie Entzündungsprozesse mildern. Zudem hat eine neueste Studie gezeigt, dass Azelastin (Nasenspray) wahrscheinlich das Risiko einer Corona-Infektion beziehungsweise die Symptome verringern kann.
- Weitere Nahrungsergänzungsmittel Je nach individuellem Mangel und Bedarf können Vitamin- und Mikronährstoffpräparate wie Coenzym Q10, Magnesium, Selen, Kupfer, Vitamin D, B Vitamine, Vitamin C, Kreatin, L-Carnitin, Omega 3, Eisen, NADH, Aminosäuren (z. B: GABA), Lithiumorotat, Vitalpilze sowie Probiotika wie Bifidobakterien und Faecalibacterium prausnitzii unterstützend wirken.
- Weitere Behandlungsmöglichkeiten Es gibt weitere Behandlungsmöglichkeiten, die individuell ärztlich begleitet werden müssen, von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen werden und sich auch nicht für jede Person eignen. Dazu zählen u. a. Nikotinpflaster, Sauerstofftherapie/Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT), Neuraltherapie nach Huneke (Infusionen, Stellatum-Blockade, Spritzen und Quaddel-Technik), Vagusnervstimulation und Immunglobuline. Von Inuspheresen (Blutwäsche) raten die meisten Expert*innen ab.
- Notfall- und Anästhesiepass für ME/CFS-Patient*innen Da viele Erkrankte sehr stark auf Medikamente und Anästhesien reagieren, sollten MCAS-/, Schwer- und Schwerstbetroffene unbedingt einen Notfall- und Anästhesiepass bei sich tragen.* Passvordrucke können online gekauft und ausgedruckt werden.
Quelle
- *Deutsche Gesellschaft für ME/CFS:ME/CFS–Krankenhaus: Aufenthalt, Operation und Anästhesie
Physiotherapie und Ergotherapie
Eine an die Belastbarkeit angepasste Physiotherapie kann helfen, Muskelabbau zu mindern. Wichtig ist, dass keine Überlastung erfolgt. Bei schwer und schwerstbetroffenen Menschen ist oft weder Physio-, noch Ergotherapie möglich. Vor allem sogenannte Aktivierungstherapien und Rehas sind dann durch die enorme Belastungsintoleranz und Reizempfindlichkeit nicht zu empfehlen. Bei Schwer- und Schwerstbetroffenen können bereits kleinste Aktivitäten wie Zähneputzen oder ein kurzes Telefonat zu einem Crash führen und ihren Zustand dauerhaft verschlechtern. Die Kunst besteht also darin, seine persönliche Baseline zu erkennen – also das Maß an Aktivität, das Stabilität ermöglicht. Wer sie findet, kann Dekonditionierung vermeiden, seinen Zustand stabilisieren und langfristig vielleicht wieder aktiver werden.
- Sanfte Bewegungsübungen wie Stretching oder Tai-Chi.
- Atemübungen, um Stress zu reduzieren.
- Ergotherapie, um alltagspraktische Fähigkeiten zu erhalten.
Psychosoziale Unterstützung
- Begleitende Psychotherapie wie kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern und beispielsweise Pacing-Strategien zu erarbeiten. Sie ersetzt jedoch keine medizinische Behandlung.
- Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung und Austausch mit anderen Betroffenen.
- Sozialberatung kann helfen, Ansprüche auf Leistungen wie eine Erwerbsminderungsrente zu klären.
Bell-Score (Bell Disability Scale)
Der Bell-Score dient Ärztinnen und Ärzten sowie Betroffenen dazu, den Verlauf und die Krankheitsbelastung im Alltag besser einzuschätzen und die Wirksamkeit von Therapien über die Zeit zu dokumentieren.
Er reicht von 0 bis 100 Punkten:
- 100 Punkte:volle Gesundheit und Belastbarkeit
- 70–50 Punkte:moderate Einschränkungen
- 30 Punkte und darunter:Alltagsaktivitäten sind kaum bis gar nicht mehr möglich.
ME/CFS ist eine komplexe Erkrankung, die eine interdisziplinäre Herangehensweise erfordert. Obwohl es keine heilende Therapie gibt, können symptomatische Behandlungen und ein angepasstes Energiemanagement die Lebensqualität verbessern. Falls ihr den Verdacht habt, an Myalgischer Enzephalomyelitis zu leiden, sprecht mit euren Ärzt*innen über eine genaue Diagnostik und individuelle Behandlungsstrategien. Da ME/CFS bis heute vielen Ärzt*innen immer noch kein Begriff ist oder unterschätzt wird, ist Medical Gaslighting nicht weit. Wie bei anderen 'unsichtbaren' chronischen Erkrankungen auch, sind daher meist einige Arzt- und Ambulanzbesuche notwendig, bis eine Diagnose gestellt wird und eine indviduelle Therapie erfolgen kann.
Hoffnung dank Forschung – doch die Finanzierung stockt!
ME/CFS ist noch immer eine unzureichend erforschte Erkrankung mit enormer individueller und gesellschaftlicher Belastung. Innovative Therapieansätze wie BC007, das krankheitsrelevante Autoantikörper neutralisieren soll, Low-Dose-Rapamycin, das auf den Zellstoffwechsel wirkt und die größte ME/CFS-Studie DecodeME, die genetische Ursachen untersucht, machen Hoffnung. Derzeit sorgt außerdem Amifampridin durch einen erkrankten Arzt für Aufsehen, der das Medikament an sich selbst ausprobiert hat. Dieses erhöht durch die Hemmung präsynaptischer Kaliumkanäle den Calciumeinstrom und die Freisetzung von Acetylcholin – so wird die Muskelaktivität verbessert. Doch um diese Forschungsansätze und Erfolge weiter und großflächig voranzubringen, braucht es deutlich mehr Forschungsgelder und ein besseres Verständnis der biologischen Mechanismen und Biomarker – etwa in den Bereichen Immunsystem, Gefäßregulation, Gene, Mitochondrien-, Darm- und Gehirnfunktion.
Quellen und weiterführende Infos
- Deutsche Gesellschaft für ME/CFS
- Centers for Disease Control and Prevention
- Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness
- Charité Fatigue Centrum
- Azelastine Nasal Spray for Prevention of SARS-CoV-2 Infections
- Nikotinpflaster-Therapie bei Long Covid
- LDN, LDA und Mestinon bei Long COVID, ME/CFS und Post Vac
- Begleitende Psychotherapie bei ME/CFS
- Fatigatio e. V.
- Praxisleitfaden ME/CFS
- Off-Label-Medikamente bei ME/CFS
- Long-COVID/Post-COVID-Syndrom: Aktueller Stand der Forschung und klinisches Management
- 3. Internationale ME/CFS Conference und Symposium 2025
- Patient-reported treatment outcomes in ME/CFS and long COVID
- Informationen zu Long- und Post-COVID, dem Post-Vac-Syndrom und ME/CFS
- Blutwäsche bei Long Covid, ME/CFS, Post Vac: Was Studien sagen, wovon Experten abraten

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