In Deutschland leben rund 800.000 Kinder und Jugendliche, die einen oder beide Elternteile verloren haben. Dies ist mit Sicherheit die intensivste und prägendste Erfahrung, die Kinder hinsichtlich des Abschiednehmens und Trauerns machen. Auch der Verlust von Geschwistern, Großeltern, Freund*innen oder dem geliebten Haustier hinterlässt bei Kindern tiefe Spuren. Oft gehen wir Erwachsenen davon aus, dass für Kinder der Verlust eines geliebten Menschen/Tieres und der damit verbundene Schmerz noch unerträglicher sind als für uns. Aus diesem Grund nehmen sich viele Eltern und enge Angehörige mit ihrer Trauer und ihrem Leid zurück und versuchen das Thema von den Jüngsten fernzuhalten. Doch wie sollen Kinder dann lernen, dass der Tod zum Leben dazugehört, ihre Trauer zuzulassen und offen damit umzugehen, um den Verlust verarbeiten zu können?
Wichtig ist daher, mit Kindern altersgerecht über Tod und Trauer zu sprechen und ihnen bei einem persönlichen Verlust – egal ob Mensch oder Tier – individuell beizustehen.
Welche Vorstellungen haben Kinder vom Tod?
Laut Expert*innen haben Kinder je nach Alter unterschiedliche Vorstellungen vom Tod. So verstehen Kleinkinder in der Regel noch nicht, dass der Tod unumkehrbar und endgültig ist, da sie noch kein ausreichend entwickeltes Zeitverständnis haben.
Wie trauern Kinder?
Um eure Kinder altersgerecht in ihrem Trauerprozess unterstützen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie Kinder trauern. Denn in der Regel trauern sie anders als Erwachsene.
Viele Kinder zeigen nach einer Todesnachricht zunächst gar keine Reaktion. Möglicherweise spielen sie ganz unbekümmert weiter oder ziehen sich leise auf ihr Zimmer zurück und erst einige Zeit später beginnen sie zu trauern. Dieses Verhalten ist für Kinder jeden Alters vollkommen normal. Bei ihnen spielt sich vieles zuerst im Kopf ab und sie benötigen mehr Zeit als Erwachsene, ihre Gefühle und Gedanken zu sortieren und auszudrücken.
Generell wechseln sich bei ihnen die Phasen tiefer Traurigkeit und die des Spielens beziehungsweise des spielerischen Trauerns häufig ab.
Das hat zwei Gründe:
Durch das Spielen oder Malen kann ein Kind seine Trauer kindgerecht zum Ausdruck bringen und sie verarbeiten. Beobachtet mal, ob euer Kind anders spielt/malt oder das Erlebte vielleicht sogar 1:1 nachspielt oder zeichnet.
Das Spielen verschafft eurem Kind eine Auszeit. Es nimmt dadurch Abstand vom Geschehnis und kommt zur Ruhe.
Denkt also nicht gleich, dass ihr euer Kind überfordert habt, weil es anders reagiert, dass euer Kind lieber spielt als trauert, seine Trauer unterdrückt oder sie vor euch verheimlicht. Es trauert einfach nur anders.
So unterstützt ihr eure Kinder beim Trauern
- Zeigt eure Trauer und sprecht darüberKinder haben sehr feine Antennen, wenn es darum geht, die Gefühlslage der Eltern zu erspüren. Eure Trauer vor ihnen zu verheimlichen ist also vergebene Liebesmüh. Das Nicht-Thematisieren führt eher dazu, dass sie das Schweigen fehlinterpretieren und denken, dass man nicht offen über diese Gefühle sprechen darf, sich schuldig fühlen sollte, und es schürt Ängste vor dem Tod im Allgemeinen.
- Spendet TrostJa, es ist schwierig, mit der eigenen Trauer fertigwerden und sich gleichermaßen um die des Kindes kümmern zu müssen. In erster Linie geht es aber auch nicht um große Worte und auch nicht um Ablenkung, denn schließlich sollt ihr euch Zeit und Raum für eure Trauer geben, um den Verlust zu verarbeiten. Dafür braucht es grundlegend nicht viel, außer:
Sagt eurem Kind, dass ihr seine Trauer seht und versteht:
„Ich sehe und verstehe, dass du traurig bist und deshalb weinst oder wütend bist.“ Indem ihr seine Trauer wahrnehmt und in Worte fasst, lernt es ebenfalls, seine Gefühle und sein Verhalten zu verstehen und auszudrücken. - Trauert gemeinsam und spendet körperlichen TrostWeint gemeinsam, nehmt euer Kind in die Arme, kuschelt viel - je nachdem, welche Art von körperlichem Trost eurem Kind hilft.
- KommuniziertBezieht euer Kind in das Geschehene mit ein und sprecht mit ihm darüber. Auch dann, wenn ihr das Gefühl habt, dass es noch nicht selbst darüber sprechen kann.
- Lasst euer Kind Fragen stellenEure Kinder sind Meister darin, euch Löcher in den Bauch zu fragen? Das ist gut und wichtig. Sie zeigen, dass sie euch vertrauen, fühlen sich gesehen, wollen verstehen, wieso etwas ist, wie es ist und es hilft ihnen dabei, Dinge zu verarbeiten. Ihr habt Angst, nicht die passenden Antworten parat zu haben?
Hier ein paar Anhaltspunkte, wie ihr mit eurem Kind sprechen und ihre Fragen beantworten könnt:
Antwortet immer ehrlich, aber altersgerecht.
Verwendet einfache Worte.
Lasst je nach Alter bestimmte Details, die beängstigen könnten oder die euer Kind noch nicht versteht, aus.
Ein Beispiel: Wenn euer Kind euch fragt, ob Opa starke Schmerzen hatte, könnt ihr antworten: Ja, er hatte starke Schmerzen, weil er sehr krank war, aber nun hat er keine mehr und ihm geht es jetzt wieder gut. - Gemeinsame Rituale Rituale geben eurem Kind Sicherheit, Halt und Geborgenheit. Daher spielen sie auch bei der Trauerbewältigung eine bedeutsame Rolle. Probiert mit eurem Nachwuchs gemeinsam aus, welche Rituale ihm bei der Trauerbewältigung behilflich sind und welche Rituale ihn dabei unterstützen, die Person/das Tier in positiver Erinnerung zu behalten. Natürlich könnt ihr auch Oma/Opa, Tante/Onkel oder andere nahe Verwandte oder Freunde mit einbeziehen.
Mögliche Rituale:
Lest Geschichten zu den Themen Tod und Trauer.
Sprecht abends vor dem Zubettgehen gemeinsam darüber, an welche Erlebnisse/Charaktereigenschaften es sich gerne erinnert.
Geht an einem Tag in der Woche gemeinsam zum Grab oder an den Lieblingsort der Person/des Haustieres. Ihr könnt ihm/ihr auch laut erzählen, was ihr den Tag über erlebt habt oder was euch gerade beschäftigt.
Schaut gemeinsam Fotos oder Videos an.
Natürlich darf auch Platz für Wut, Verzweiflung und Ohnmacht sein. Diese könnt ihr ebenfalls gemeinsam verarbeiten, indem ihr darüber sprecht, aber auch mit körperlichen Ritualen, um eurer Wut Luft zu verschaffen: Nehmt zum Beispiel einen kleinen „Wut“-Ball, den ihr zerdrückt oder gegen die Wand werft, schlagt mit euren Händen in ein Kissen oder schreit gemeinsam eure Traurigkeit und Wut heraus. - Abschiednehmen Ab ungefähr fünf Jahren hat ein Kind eine eigene Vorstellung davon, ob es an der Beerdigung teilnehmen und sich vom aufgebahrten Leichnam verabschieden möchte. Viele Kinder haben zusätzlich den Wunsch, dem Leichnam ein Bild, einen Gegenstand oder einen Brief mit in den Sarg zu legen. Gerade wenn ein oder beide Elternteile verstorben sind, fällt es dem verwitweten Elternteil oder anderen Familienmitgliedern oft schwer, dem Kind diesen Wunsch zu erfüllen. Allerdings ist der Abschied ein wichtiger Teil des Trauerprozesses. Unterstützt in diesem Fall euer Kind und verabschiedet euch gemeinsam.
Feingefühl und professionelle Hilfe
Es verlangt viel Feingefühl, gemeinsam herauszufinden, wie häufig es euren Kindern guttut, über den Verlust und die damit verbundenen Gefühle zu sprechen. Gerade dann, wenn es eurem Kind schwerfällt, seine Gefühle zuzulassen und sie in Worte zu fassen. Jeder Mensch benötigt unterschiedlich viel Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten und es gibt nicht DAS Geheimrezept, das uns allen hilft, um über den Verlust hinwegzukommen. Auch sollten eure Kinder nicht das Gefühl haben, dass sie euch mit ihrer Trauer belasten oder versuchen, euch euren Schmerz abzunehmen. Natürlich solltet ihr auf eure Kinder keinen Druck ausüben, sich euch anzuvertrauen und viel Geduld haben, aber sobald ihr das Gefühl habt, dass euer Kind sehr stark leidet beziehungsweise sich verändert, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Mögliche Warnhinweise können sein:
Euer Kind …
- spricht nicht mehr oder nur sehr wenig.
- spricht gar nicht oder ausschließlich über den Verlust/seine Gefühle.
- zieht sich häufig zurück oder ist zu anhänglich.
- möchte sich nicht mehr Freunden treffen.
- wirkt laufend traurig/wütend/aggressiv/ängstlich.
- isst gar nicht mehr, zu wenig oder tröstet sich mit Essen.
- nässt ins Bett/hat Albträume.
- ist unkonzentriert/verschlechtert sich in der Schule.
Ihr kennt euer Kind wie immer am besten und merkt, wenn es sich anders verhält als vor dem Schicksalsschlag. Besonders wenn es ein sehr nahes Familienmitglied verloren hat, solltet ihr sehr aufmerksam sein und zeitnah professionelle Hilfe hinzuziehen. Dann könnt ihr gemeinsam entscheiden, ob beispielsweise eine Trauergruppe - so gibt es zum Beispiel spezielle Trauergruppen für (Halb-)Waisenkinder - oder eine Psychotherapie notwendig ist oder ob euer Kind einfach noch mehr Zeit benötigt. Gleiches gilt natürlich auch für euch selbst. Gerade wenn ihr nun verwitwet seid, ist es ratsam, dass ihr euch gemeinsam Unterstützung sucht, um eure Trauer zu verarbeiten und wieder Schritt für Schritt zurück ins Leben zu finden.