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Hypochondrie und Cyberchondrie: krankhafte Angst um die eigene Gesundheit und übertriebene Internetrecherche

Oft wird die Bezeichnung „Hypochonder“ scherzhaft verwendet. Dabei leiden Menschen in ihrem Alltag sehr, wenn die Gedanken nur noch um Krankheiten kreisen, die man bei sich vermutet. Hypochondrie bezeichnet die übertriebene Angst, krank zu sein oder zu werden.

Hypochondrie gehört zu den somatoforen Störungen

Hypochonder sind von der Angst beherrscht, dass körperliche Beschwerden auf eine schwere Erkrankung hinweisen könnten. Da sich die Krankheitsangst oft durch Panikattacken und zwanghaftem Überprüfen körperlicher Symptome bemerkbar macht, wird Hypochondrie von Ärzten und Psychiatern meist zwischen einer somatoformen Störung sowie Angst- und Zwangsstörungen eingestuft.

Cyberchondrie kommt meist bei Hypochondern vor

In den letzten Jahren kommt bei Patienten mit Hypochondrie meist eine weitere Störung dazu: die Cyberchondrie, auch als Morbus-Google bezeichnet. Denn der Schritt zur Recherche von Symptomen und deren möglichen Ursachen ist durch Dr. Google besonders schnell gemacht und dann deuten im Kopf des Betroffenen Bauchschmerzen ganz schnell auf lebensbedrohliche Erkrankungen wie etwa Krebs hin. Selbst wenn Patienten nach ärztlichen Untersuchungen keine Hinweise auf Krankheitsdiagnosen erhalten, bleibt die Angst, dass etwas übersehen wurde und doch eine Erkrankung vorliegt.

Wie entsteht Hypochondrie?

Bislang haben Wissenschaftler keine eindeutigen Ursachen für Hypochondrie gefunden. Vermutlich spielen bei Krankheitsangst folgende Ursachen eine Rolle:

  • genetische Veranlagung
  • Neurotizismus (emotionale Instabilität, Hang zu negativen Gedanken/Ängstlichkeit)
  • unsicherer bzw. ablehnender Bindungsstil
  • Alexithymie (Gefühlsblindheit)
  • ängstlicher und überbehüteter Erziehungsstil
  • Erfahrungen mit schweren Erkrankungen/Verletzungen
  • Traumata in Jugend und Kindheit
  • körperliche Empfindungen werden als sehr intensiv und schädlich wahrgenommen
  • negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem (Fehldiagnosen, Nichterkennen einer Krankheit – auch bei anderen Personen oder Prominenten)

Symptome einer Hypochondrie

  • übertriebene Angst vor schweren Krankheiten wie beispielsweise Krebs
  • Sorgen vor Schmerz, Behinderung, Leid und Tod
  • Panikattacken, Angstzustände, Stress, etc.
  • Zwanghaftes Absuchen auf körperliche Symptome
  • kleinste Symptome werden bereits intensiv wahrgenommen
  • 1. Subtyp: Hypochondrie, mit häufigen Arztbesuchen, um Symptome abzuklären
  • 2. Subtyp: Hypochondrie mit Meidung von Arztbesuchen, Krankenhäusern und Friedhöfen aufgrund von Scham und Angst
  • Cyberchondrie: intensive Recherchen zu Symptomen und Erkrankungen (meist im Internet)
  • schädigendes Gesundheitsverhalten aufgrund unseriöser Internet-Empfehlungen (Foren, Social Media, etc.)
  • häufige Gespräche über Krankheiten
  • übertriebenes Gesundheitsbewusstsein
  • Einschränkung des alltäglichen Lebens

Wie wird Hypochondrie diagnostiziert?

Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt, der nach einem intensiven Gespräch und einer körperlichen Untersuchung eine erste Diagnose stellt. Vermutet der Arzt eine eine hypochondrische Störung, ist eine Überweisung an einen Psychotherapeuten oder Psychiater sinnvoll. Wichtig ist allerdings, dass vor der Diagnose eine gründliche körperliche Untersuchung erfolgt, die beispielsweise Multiple Sklerose, die Muskelschwäche Myasthenia gravis, hormonelle Störungen, Schilddrüsenerkrankungen und Tumore ausschließt. Die weiterführende Untersuchung beim Psychiater oder Psychologen beinhaltet ein ausführliches Gespräch, bei dem gewöhnlich auch ein sogenannter Hypochonder-Test durchgeführt wird. Anhand dieses Fragebogens kann die Hypochondrie näher bezeichnet und der Ausprägungsgrad festgestellt werden.

Mögliche Therapien bei Hypochondrie

Je länger eine Hypochondrie besteht, desto schlechter sind die Heilungschancen. Leiden die Betroffenen unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Ängsten, Zwängen oder Depressionen, sind die Prognosen noch schlechter. Je nach Ausprägung kann die Hypochondrie auch nicht vollständig geheilt, sondern der Ausprägungsgrad lediglich gemindert werden.

Kognitive Verhaltenstherapie

Krankheitsangst wird meist mithilfe der kognitiv-behavioralen Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie) behandelt. Dazu muss der Patient jedoch motiviert sein, seine überzogene Krankheitsangst besser bewältigen zu können. Das schließt auch ein, dass der Patient von der Idee überzeugt ist, dass eine Verhaltenstherapie die richtige Wahl ist und dass er sich von den Vorteilen seiner erdachten Erkrankung verabschiedet, wie etwa Aufmerksamkeit und Fürsorge, die ihm dadurch oft zuteil wird.

Die kognitiv-behaviorale Psychotherapie verfolgt folgende Ziele

1. Der Patient lernt, die verstärkte Wahrnehmung von Missempfindungen zu verringern und stattdessen alternative Erklärungen zu finden. Dies geschieht in der Regel durch kleine Experimente – indem sich der Patient beispielsweise auf ein bislang von seiner Krankheitsangst nicht betroffenen Körperteil fokussiert, können die plötzlich wahrgenommenen Symptome realistischer gedeutet werden. Außerdem können Krankheitsangst-Protokolle zum Einsatz kommen, die einen Bezug zur Krankheitsangst und den jeweiligen Stressfaktoren, die diese auslösen, herstellen. Diese Übungen dienen dazu, die Wahrscheinlichkeit der Krankheitsannahmen zu verändern beziehungsweise zu mindern.

2. Das Ziel der Therapie ist es auch, das sicherheitssuchende Verhalten einzudämmen. Dazu muss der Hypochonder zuerst seine Art der Rückversicherung benennen. Das kann beispielsweise Cyberchondrie, das Meiden oder das verstärkte Reden über seine angebliche Erkrankung, das ständige Absuchen seines Körpers auf Symptome und Ähnliches sein. Durch eine mit dem Therapeuten erarbeitete Absichtserklärung kann dann zum Beispiel vereinbart werden, dass der Patient seinen Körper nur noch alle zwei Wochen oder einmal im Monat absucht. Ein begleitendes Krankheitsangst-Protokoll dient der Rückversicherung und der Analyse nach eventuellen Rückfällen.

3. Des Weiteren kann es sinnvoll sein, den Hypochonder gedanklich, aber auch real mit angstauslösenden Situationen zu konfrontieren. Indem er sich beispielsweise vorstellt, ein Krankenhaus zu betreten. Dabei soll der Betroffene lernen, die Situationen ohne Schutzreaktion durchzustehen.

4. Zum Ende der Verhaltenstherapie bei Hypochondrie werden die wichtigsten Punkte noch mal zusammengefasst und Argumente, die für und gegen die Krankheitsannahmen sprechen, besprochen. So lernt der Hypochonder, eigenständig zwischen realistischen und überzogenen Argumenten zu unterscheiden. Wichtig ist dennoch, dass dem Patienten bewusst ist, dass auch ein Arzt niemals ganz ausschließen kann, dass es sich bei den von ihm wahrgenommenen Symptomen nicht doch um eine ernst zu nehmende Erkrankung handeln kann. Allerdings kann der Patient durch die Verhaltenstherapie wieder lernen, mit dieser kleinen Restunsicherheit gut zu leben.

Medikamentöse Therapie

Statt der Verhaltenstherapie kann auch eine medikamentöse Therapie bei Hypochondrie mit Psychopharmaka erfolgen. Allerdings zeigen Studien, dass, sofern mit der Verhaltenstherapie positive Effekte erzielt werden konnten, diese auch nach Beendigung der Therapie länger anhalten als die Erfolge einer medikamentösen Therapie. Wurde eine sekundäre Hypochondrie – also eine Krankheitsangst, die durch andere psychiatrische Erkrankungen entstanden ist – diagnostiziert, stehen die Heilungschancen gut, sofern die jeweilige Erkrankung erfolgreich therapiert wird.

Wie häufig ist Hypochondrie?

Da durch die Scham der Hypochonder und das Unterschätzen der Erkrankung eine hohe Dunkelziffer vermutet wird, lässt sich die Häufigkeit von Hypochondrie schwer schätzen. Man geht davon aus, dass rund ein Prozent der Deutschen unter Krankheitsangst leiden. Studien legen außerdem nahe, dass eine voll ausgeprägte Krankheitsangst nur selten auftritt. Hier geht man von 0,05 Prozent aus. Allerdings ist die Hypochondrie bereits in geringer Ausprägung klinisch relevant, da Hypochonder bereits dann einen hohen Leidensdruck verspüren und häufige Arztbesuche zum Alltag gehören, die wiederum das Gesundheitssystem belasten. Von Krankheitsangst sind Frauen und Männer aller Altersklassen gleich stark betroffen. Meist betrifft sie ältere Personen mit einem niedrigen Bildungsstand, die eine längere Krankheitsdauer vorweisen und das Gesundheitssystem häufig nutzen.