Aus welchen Gründen auch immer ihr eine Fehl- oder Totgeburt erlitten habt: Der Schmerz, die Trauer und möglicherweise auch Schuldgefühle sind groß und niemand außer euch kann diese Situation nachempfinden. Jeder Mensch verarbeitet den Verlust anders und benötigt unterschiedlich viel Zeit für seine Trauer. Als Paar müsst ihr dementsprechend gleich doppelten Schmerz verarbeiten. Gemeinsam, aber auch ganz allein für euch.
So überwindet ihr als Paar eine Fehl- oder Totgeburt
Abschied nehmen
Entscheidet ganz allein, inwiefern ihr in der Lage seid, euch von eurem Baby zu verabschieden. Vielen hilft es, wenn ihr euer Kind noch mal gemeinsam in den Arm nehmt, es in Ruhe anschaut, berühren könnt und vielleicht sogar eine*n Sternkind-Fotograf*in bucht. Auch euer Baby beerdigen zu lassen und eine kleine Trauerfeier können euch beim Abschied helfen. Habt ihr bereits ältere Kinder, könnt ihr sie entsprechend ihres Alters in das Abschiednehmen mit einbeziehen, sofern sie es möchten. In vielen Kliniken ist es möglich, euch in einem eigens dafür vorgesehenen Raum oder einer Hauskapelle von eurem Kind zu verabschieden. In der Regel ist die Aufbahrung auf 36 Stunden begrenzt und in Ausnahmefällen auch verlängerbar. Auch könnt ihr euch zu Hause von eurem Baby verabschieden, indem ihr es von einem Bestattungsunternehmen überführen lasst oder ihr verabschiedet euch in einem Bestattungsunternehmen.
Gemeinsame Erinnerung
Entscheidet gemeinsam, welche bleibenden Erinnerungen ihr von eurem Kind aufbewahren möchtet. Das können ein Abschiedsbrief, Fotos, Videos, Fuß- oder Handabdrücke, ein Strampler, Mützchen, Söckchen oder ein Kuscheltier sein. Natürlich könnt ihr auch unabhängig voneinander eine Erinnerung eures Kindes aufbewahren, aber eine gemeinsame lässt euch gemeinsam erinnern und schweißt euch vielleicht noch ein wenig mehr zusammen. Auch kann es heilsam sein, euch speziell in den ersten Monaten nach dem Verlust regelmäßig an einem Ort der Stille zusammenzufinden – also gemeinsam zu schweigen und eurem verstorbenen Kind zu gedenken.
Raum und Zeit
Zwar geht es vielen Frauen bereits wenige Tage oder Wochen nach der Fehl- oder Totgeburt aus medizinischer Sicht wieder gut. Die Seele dagegen benötigt sehr viel mehr Zeit, sich zu regenerieren. Das bedeutet, dass ihr euren Emotionen den Raum und die Zeit geben dürft, die sie benötigen, um den Verlust zu verarbeiten. Je länger das Baby in euch heranwachsen durfte, umso intensiver wird wahrscheinlich auch eure Trauer sein. Ebenso darf niemand von euch erwarten, dass ihr eine frühe Fehlgeburt schnell verarbeitet. Sich zurück in den Alltag drängen zu lassen, weil der/die Partner*in, Freunde oder Familie meinen, es sei das Beste für euch, ist der falsche Weg. Lasst euch also nicht von Sprüchen wie: „Ablenkung wird dir/euch guttun“ oder ähnlichen Motivationsversuchen unter Druck setzen. Habt ihr nach mehreren Monaten immer noch das Gefühl, dass ihr euch nicht besser fühlt, scheut euch nicht davor, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Natürlich könnt ihr euch auch schon in den ersten Tagen einem/einer Psycholog*in anvertrauen. Euer/eure behandelnde*r Frauenärzt*in oder die Klinik sollte euch bei der Suche behilflich sein.
Paare trauern unterschiedlich
Redet als Paar offen miteinander und akzeptiert es, wenn ihr euren Schmerz unterschiedlich verarbeitet. So kann es beispielsweise sein, dass es der einen Person hilft, schnell wieder arbeiten zu gehen, während die andere Person noch mehr Zeit benötigt. Bis zu einem gewissen Punkt könnt ihr euch gegenseitig eine große Stütze sein. Erwartet von euch beiden aber nicht, dass ihr euch in dieser Phase immer trösten und füreinander da sein könnt. Als ehemals Schwangere erlebt ihr die Trauerphase meist intensiver. Schließlich ist eurem Baby niemand so nah gewesen wie ihr. Es ist in euch herangewachsen, ihr habt seine Bewegungen gespürt und damit wart ihr quasi unzertrennlich.
Männer trauern zwar nicht weniger, aber möglicherweise anders als Frauen. In den ersten Tagen und Wochen seid ihr Partner vor allem damit beschäftigt, für eure Frau da zu sein, sie zu trösten und tut alles dafür, dass sie schnell wieder auf die Beine kommt. Das ist häufig der Grund, weshalb Männer ihren Schmerz verbergen und Angst haben, die Frau damit noch stärker zu belasten und nicht mehr der Fels in der Brandung sein zu können. Hinzu kommt, dass euch vielleicht ein Gefühl der Hilflosigkeit plagt und ihr gerne noch mehr für eure Partnerin tun würdet. Ähnlich kann es sich sich mit Partnerinnen verhalten. Auch ihr wollt eure Partnerinnen unterstützen und zeigt eure Trauer möglicherweise deshalb nicht so intensiv.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr eure Trauer versteckt oder verdrängt, versucht dies zu durchbrechen. Denn Partner*innen müssen nicht immer die starke Schulter zum Anlehnen sein, auch schließt das eine das andere nicht unbedingt aus. Jede zurückgehaltene oder verdrängte Emotion – egal ob von euch oder eurem/eurer Partner*in – wird die Beziehung eher belasten und kann schnell in gegenseitigen Schuldzuweisungen enden. Und natürlich gilt auch für euch Partner*innen, dass ihr therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen könnt oder gemeinsam eine Paartherapie machen könnt.
Gemeinsames Abschiedsritual
Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ihr wieder als Paar dazu bereit seid, den ersten und intensivsten Abschnitt der Trauer hinter euch zu lassen. Um dieser Phase Lebewohl zu sagen, könnt ihr euch ein gemeinsames Abschiedsritual überlegen. Schreibt zum Beispiel zusammen auf, wie ihr die letzten Monate gemeinsam verlebt und welche (emotionalen) Hürden ihr gemeistert habt, die ihr ab jetzt hinter euch lassen möchtet. Verpackt den Brief in einer Box und vergrabt diese in eurem Garten oder im Park. Darauf überlegt ihr euch ein neues Ziel oder erfüllt euch einen Wunsch, den ihr euch als Paar schon seit Langem gönnen wolltet. Das bedeutet keineswegs, dass ihr euren kleinen Schatz damit vergesst und keine Rückschläge mehr erlebt, aber dass ihr wieder Schritt für Schritt gestärkter und optimistisch in eure gemeinsame Zukunft blickt.