Der Stress bei der Arbeit nimmt zu, die Anforderungen an ein ausgefülltes Privatleben steigen ebenfalls. Wir sprachen mit Dr. Christiane Ihlow, Chefärztin für Psychosomatik an der Klinik Möhnesee, über Burnout und Depressionen.
Was genau ist Burnout?
Bei Burnout handelt es sich um einen ausgeprägten körperlichen und mentalen Erschöpfungszustand, der zumeist aufgrund einer energetischen Schieflage zwischen der Investition in eine Tätigkeit und dem, was man an Belohnung für diese Investition heraus bekommt, entsteht.
Wie äußert sich Burnout?
Oft zeigen sich Frühwarnsymptome in Form eines Aufgedrehtseins, dem Gefühl, nicht mehr entspannen zu können und erst viel später in Form von wiederkehrenden Infekten und einer ausgeprägten Müdigkeit, neben einer häufigen Aversion gegenüber einem früher gern ausgeübten Job.
Und wo liegt der Unterschied zur Depression?
Bei der Depression treten wesentlich häufiger als im Zusammenhang mit Burnout Symptome wie Schuldgefühle, Selbstwertverlust und lebensüberdrüssige Gedanken auf, zudem ist eine depressive Phase mit einem viel höheren Abbruch an sozialen Kontakten verbunden als bei Burnout. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass fast über ein Drittel der an einem schweren Burnoutsyndrom erkrankten Menschen Symptome einer schweren Depression zeigen. Bei Burnout gibt es definitionsgemäß auch immer einen äußeren Rahmenbezug zu einem für den einzelnen Betroffenen zu hohen Maß an äußeren Anforderungen, das kann eine Pflegesituation im Privaten genauso sein wie eine gestiegene Anforderung durch den Job - was bei einer häufig endogenen Depression nicht der Fall ist.
Wie kann ich erkennen, ob ich einfach eine schwierigere Phase habe oder ernsthafte Probleme?
Das ist sicherlich eine schwierige Gratwanderung, aber an der Stelle, wo Infekte sich häufen, Schlafstörungen auftreten und der Beruf auch in privaten Kontaktsituationen immer mehr Raum in Anspruch nimmt, oder auch die sozialen Kontakte leiden und vor allem, wenn die üblichen Pausen durch Wochenende und Urlaub nicht mehr den gewünschten Erholungseffekt zeigen, wird es Zeit, die eigene Situation näher zu beleuchten.
Was kann ich selbst tun, um einem Burnout vorzubeugen?
Hier geht es in erster Linie darum, eigene Stressquellen zu identifizieren, den Umgang hiermit zu verändern und – da wir es ja mit einer stressbedingten Erkrankung zu tun haben, zu einem besseren Abbau von Adrenalin zu kommen. Da helfen „passive“ Ansätze - wie Entspannungsverfahren - genauso wie ein „aktives“ regelmäßig durchgeführtes Ausdauertraining. Da es sich aber auch immer um ein Problem mit äußeren Bezügen handelt, ist oftmals die Führungsqualität von Vorgesetzten gefragt und die Veränderung von beruflichen Abläufen.
Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die dazu führen, dass man eher Burnout bekommt?
Es gibt typische Persönlichkeitsmerkmale, diese sind vor allem ein übermäßiger Perfektionismus, ein hohes Kontrollbedürfnis, andererseits zeigt sich ein hohes Maß an Idealismus, Streben nach Erfolg und nach Anerkennung. Heute wissen wir, dass gerade eine mangelnde Anerkennung und das Gefühl, zunehmend am Arbeitsplatz kontrolliert zu werden, das Risiko für Burnout deutlich erhöht.
Sehen Sie die Zunahme von psychischen Erkrankungen insgesamt im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen und wenn ja, mit welchen?
Die Statistik scheint keine wirkliche Verschiebung in Richtung einer Zunahme der psychischen Erkrankungen auszuweisen. Zugenommen haben die Arbeitsunfähigkeits-Zeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen aus meiner Sicht eher, weil eine Entstigmatisierung bezüglich der psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft in den letzten Jahren stattgefunden hat und weil sich sicherlich auch die diagnostische Schärfe aller Arztgruppen diesbezüglich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Fast alle Menschen sind in beruflichen Situationen, die geprägt sind von mehr Unsicherheit, einer Arbeitsverdichtung und der Notwendigkeit sich technischen und qualitativen Anforderungen mehr denn je zu stellen. Deswegen ist es aus meiner Sicht der wichtigste therapeutische Ansatz in Bezug auf diese veränderten Herausforderungen, zu erkennen, wie ich den Einzelnen in seiner Situation am Besten stärken kann, aber auch genau zu erkennen, wann die Grenzen erreicht sind.