Lipödem: Was wirklich hilft – von Diagnose bis Therapie

Letzte Aktualisierung: 17. November 2025Lesezeit: 6 Minuten
Ein Lipödem ist mehr als nur „kräftige Beine“. Die Fettverteilungsstörung verursacht häufig Schmerzen und belastet die Psyche. Hier erfährst du alles über Ursachen, Diagnose und Behandlungen.

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Das Lipödem betrifft fast ausschließlich Frauen und zeigt sich meist an Beinen. Die Arme sind seltener betroffen, Füße und Hände bleiben meist schlank. Lipödem ist fast immer mit starken Beschwerden verbunden, sowohl körperlich als auch psychisch. Zur Standardbehandlung gehören: Kompression, Bewegung/Training, Gewichtsmanagement, Hautpflege und gegebenenfalls psychologische Unterstützung. Eine Liposuktion, also eine Fettabsaugung, kann zusätzlich helfen, wird aber nur in Ausnahmefällen von den Krankenkassen gezahlt. Was du sonst noch wissen solltest:

Was ist ein Lipödem?

Ein Lipödem ist eine chronische, schmerzhafte Störung der Fettverteilung. Typisch sind gleichmäßig verdickte Beine, manchmal auch Arme, während Füße und Hände normal bleiben. Viele Betroffene berichten über Druck- und Berührungsschmerz sowie ein Spannungs- oder Schweregefühl. Kopf, Hals, Rumpf, Füße und Hände wirken in der Regel „unauffällig“, das heißt: Das Volumen an Beinen und Armen passt nicht zum restlichen Körper.
Häufig treten zusätzlich Übergewicht oder Adipositas auf. Das kann die Diagnose erschweren, weil das Lipödem dann fälschlich nur als „Übergewicht“ interpretiert wird.

Ursachen: Was begünstigt ein Lipödem?

Die genaue Ursache ist noch unklar. Vieles spricht für ein Zusammenspiel von Genetik und Hormonen: Lipödeme zeigen sich oft erstmals oder verschlechtern sich in hormonellen Umbruchphasen, also in der Pubertät, Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Häufig gibt es auch eine familiäre Veranlagung, nicht selten litt bereits die Mutter unter der Erkrankung. Wie häufig ein Lipödem insgesamt ist, lässt sich nicht sicher sagen.

Wie zeigt sich ein Lipödem?

Viele Betroffene merken schon ab der Pubertät ein Missverhältnis zwischen schlankem Oberkörper und kräftigen, schmerzhaften Beinen. Abnehmen an den Lipödem-Zonen ist oft schwerer als am Rumpf, das Ungleichgewicht bleibt bestehen.
Fast immer treten auch Schmerzen auf, entweder spontan oder durch Druck oder Berührung. Zusätzlich sind Spannungs- und Schweregefühl häufig. Die Intensität schwankt stark, auch in frühen Stadien können die Beschwerden ausgeprägt sein. Die Erkrankung wird in folgende unterschiedliche Stadien eingeteilt. 

  • Stadium I: glatte Haut, gleichmäßiges Fettgewebe
  • Stadium II: uneben/wellig, Dellen
  • Stadium III: derbe Verhärtungen, Furchen, voluminöse Fettlappen (z. B. an Knie/Oberschenkelinnenseite)

Wichtig: Die Stadien beschreiben das Aussehen, nicht die Leidensschwere. Starke Schmerzen sind auch in niedrigen Stadien möglich. Eine belastbare „Schmerz-Stadien“-Einteilung gibt es nicht.

Auch folgende andere Beschwerden sind häufig: 
 

  • Mechanische Folgen: veränderte Beinachse (z. B. X-Beine), erhöhte Gelenkbelastung und Verschleiß.
  • Haut: wunde Stellen in Hautfalten durch Reibung möglich.
  • Blaue Flecken: werden häufiger berichtet, ist aber wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.

Viele Betroffene nehmen im Verlauf zu oder entwickeln eine generalisierte oder gleichmäßig verteilte Adipositas. Das kann das Beschwerdebild verstärken und die Lebensqualität beeinträchtigen. Psychische Belastungen (z. B. Depressivität, Angst, Essstörungen) sind nicht selten und können Schmerzen verstärken. Ärztinnen und Ärzte sollten deshalb bei der Diagnose psychosoziale Faktoren systematisch erfassen. 
 

Wird ein Lipödem zwangsläufig schlimmer?

Lipödem ist chronisch, muss sich aber nicht automatisch mit der Zeit verschlimmern. Eine Gewichtszunahme ist in der Regel problematisch, da es das Ausmaß des Lipödems vergrößern kann und damit unter Umständen auch die Beschwerden.

Diagnose: So wird ein Lipödem festgestellt

Die Diagnose stellt die Ärztin oder der Arzt, häufig aus der Phlebologie, Lymphologie oder Gefäßmedizin. Wichtig ist die Abgrenzung zu Adipositas und Lymphödem, denn beides kann auch zusätzlich zum Lipödem vorliegen. Einen „Beweistest“ gibt es nicht.

Grundlage sind:
 

  • Anamnese (Beschwerden, Verlauf, Hormonphasen) und körperliche Untersuchung (Tastbefund, Verteilungsmuster)
  • Messungen: Körpergröße/Gewicht, Taillen- und Hüftumfang, Verhältnis von Taillenumfang zu Körpergröße, Umfangmessungen an Oberschenkel/Wade/Arm zu Therapiebeginn helfen bei Verlaufskontrolle
  • Kneiftest: im Lipödem-Bereich schmerzhaft, an anderen Stellen nicht Stemmer-Zeichen: an den Zehen/den Fingern meist „negativ“ (Hautfalte abhebbar) – spricht gegen ein reines Lymphödem
  • Zusatzuntersuchungen (bei Bedarf): Blut, Ultraschall; CT/MRT nur selektiv, vor allem zum Ausschluss anderer Ursachen

Tipp: Spezialisierte Praxen/Kliniken (Phlebologie/Lymphologie) haben Erfahrung mit der Differenzialdiagnose. Grundsätzlich kann eine eindeutige Diagnose nur selten gestellt werden, weswegen die Krankenkassen häufig die Kostenübernahme für eine Liposuktion (Fettabsaugung) ablehnen.

Was hilft? Die Bausteine der Behandlung

Eine ursächliche Heilung gibt es derzeit nicht. Ziel ist, Schmerzen und Einschränkungen spürbar zu reduzieren, Mobilität zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern. Der aktuelle Standard kombiniert nicht-operative Maßnahmen mit der Option einer Liposuktion, also einer Fettabsaugung.

Folgende Schritte gehören zur Standard-Behandlung:

  • Kompressionstherapie Medizinische Kompressionsstrümpfe/-leggings bzw. -ärmel sind Basis der Behandlung. Sie werden individuell angepasst (Druckklasse, Material). Ergänzend kommen – je nach Fall – Wickelverbände, adaptive Klettsysteme oder apparative intermittierende Kompression zum Einsatz.
    Ziele: Schmerzen reduzieren, Gewebe formen/stabilisieren; Lymphödem-Komponenten (falls vorhanden) mitbehandeln. Wichtig ist eine konsequente Hautpflege mit parfümfreien nicht rückfettenden Lotionen ohne Konservierungsstoffe. Die Stümpfe sollten erst angezogen werden, wenn die Lotion vollständig eingezogen ist. Ergänzend können Physiotherapie und manuelle Lymphdrainage bei entsprechender Befundlage die Beschwerden lindern.
  • Aktiv werden Bewegung und Aktivität wirkt gegen Schmerz und Schweregefühl, besonders mit anliegender Kompressionskleidung. Geeignet sind z. B. Gehen, Radfahren, Aquafitness, Krafttraining mit Technikfokus. In Schulungen zum Selbstmanagement lernen Betroffene, Ziele realistisch zu setzen und dranzubleiben. Weiter empfohlen werden auch ein Fitnessaufbau, Gewichtsstabilisierung und Übergewichtsprävention sowie Übungen in Kompression (z. B. Aquafitness zur Aktivierung von Muskel- und Gelenkpumpe). Auch der Austausch in Selbsthilfegruppen kann zusätzlich motivieren und entlasten.
  • Ernährung, Gewicht, Körperzusammensetzung Bei gleichzeitigem Übergewicht/Adipositas lohnt sich eine strukturierte, langfristig alltagstaugliche Ernährungsumstellung – keine Crash-Diäten. Ziel sind weniger Beschwerden, und ein besseres Wohlbefinden. Eine Gewichtsreduktion kann den Beinumfang und mechanische Belastung senken. Bei ausgeprägter Adipositas kann, nach individueller Prüfung, eine bariatrische Chirurgie (z. B. Magen-OP) infrage kommen.
  • Psychische Gesundheit mitbehandeln Schmerz, Stigma und Alltagsgrenzen belasten. Psychotherapeutische Unterstützung (z. B. kognitive Verhaltenstherapie, Schmerzbewältigung) kann Schmerzen und Lebensqualität positiv beeinflussen. Besonders bei Komorbiditäten wie Depression, Angst- oder Essstörungen.
  • Operation Liposuktion. Bei der Fettabsaugung wird krankhaft vermehrtes Unterhautfettgewebe aus Beinen und Armen entfernt, meist in mehreren Sitzungen. Die Krankheit wird dadurch nicht „geheilt“, Schmerzen können aber weniger werden und Beweglichkeit sowie Lebensqualität steigen. Die OP ersetzt kein Gewichtsmanagement. Die Adipositas wird separat behandelt. Komplikationen sind selten, aber möglich (z. B. Blutungen, Infektionen). Bei ausgeprägten Hautüberschüssen kann später eine Straffung nötig sein. In den ersten Wochen nach der OP wird oft eine komplexe physikalische Entstauungstherapie (Lymphdrainage, Kompression, Bewegung) empfohlen. Ob du dauerhaft Kompression brauchst, hängt vom Verlauf und deinen Beschwerden ab.

Kostenübernahme: Zahlt die Krankenkasse die OP?

Seit Juli 2025 können gesetzlich Versicherte, die an einem Lipödem leiden, auch unabhängig vom Stadium unter bestimmten Bedingungen eine Liposuktion durchführen lassen. Bisher galt das nur für Betroffene des Stadiums III. Die Erkrankten müssen nach wie vor nachweisen, dass sie alle konservativen Maßnahmen (z. B. konsequente Kompression, Bewegung/Physiotherapie, Gewichtsmanagement) über einen festgelegten Zeitraum – in der Praxis mindestens sechs Monate – ausgeschöpft haben, aber keine Verbesserung der Beschwerden feststellen konnten.

Was Betroffene tun sollten:

Besprich mit deiner behandelnden Ärztin oder deinem Arzt, ob die Kriterien erfüllt sind, und lass die konservative Therapie lückenlos dokumentieren. Reiche bei deiner Krankenkasse einen Antrag mit Befundunterlagen, Diagnosen, Stadium, Therapieverlauf, Fotodokumentation/Umfangmessungen und einer ärztlichen Begründung ein. Kläre vor der OP schriftlich die Kostenübernahme. Bei Ablehnung kannst du Widerspruch einlegen – begründet durch dein Behandlungsteam.

FAQ: Lipödem

Verfasst von
BIG-Redaktion

Medizinisch geprüft von Vita Health Media