Menschen sind immer eingebunden in soziale Kontexte, im therapeutischen Bereich sind sie auch als Systeme bekannt. Das kann zum Beispiel die Familie sein, aber auch die Schule oder das Arbeitsumfeld. Gibt es in diesen Systemen Spannungen, unausgesprochene Konflikte oder gestörte Bindungen, können die Mitglieder psychisch erkranken. Die Erkrankung kann dann als Symptom des gestörten Systems gesehen werden. Manchmal erfüllt die Krankheit in diesem sogar eine bestimmte Funktion. Zum Beispiel könnte sie auf ungute Weise eine Schieflage kompensieren. Dies gilt besonders häufig für Suchterkrankungen, Depressionen und Essstörungen. Verstehen Sie, welchen Sinn die Symptome innerhalb des Systems haben, können Sie Ihre Krankheit meist leichter bewältigen. Deshalb werden in der Systemischen Therapie oft wichtige Bezugspersonen direkt in die Therapie mit eingebunden.
Beziehungsmuster verstehen und Schieflagen erkennen
Am Anfang einer Systemischen Therapie schildern Sie Ihrem Therapeuten oder Ihrer Therapeutin die sozialen Zusammenhänge, in denen Sie leben. Oft wird dabei schnell klar, welches System besonders konfliktbeladen ist. Dieses wird dann der Hauptgegenstand der Therapie.
Anschließend versuchen Sie, die Beziehungsmuster innerhalb des Systems zu verstehen. Wenn es um die eigene Familie geht, sind typische Fragen:
- Wer hat eine enge Beziehung zueinander und wer steht auf Distanz?
- Welches Familienmitglied nimmt welche Rolle ein?
- Warum verhält sich Ihre Mutter gegenüber Ihrer Schwester häufig auf eine bestimmte Weise?
So decken Sie dysfunktionale Beziehungen, schlechtes Kommunikationsverhalten und ungesunde Muster auf. Diese haben oft eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von psychischen Problemen. Können Sie diese Schieflagen im System bereinigen, lindern sich oft auch die Symptome der Erkrankung.
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Die systemische Aufstellung – der neutrale Blick von außen
Um die Beziehungsmuster innerhalb des Systems zu verstehen, wird in der Systemischen Therapie oft mit systemischen Aufstellungen gearbeitet. Dabei werden die einzelnen Beziehungen untereinander mithilfe von Figuren oder Zeichnungen dargestellt. Diese anschauliche Form verschafft Ihnen mehr Klarheit über die Muster und Strukturen im System.
- Das Genogram:Hier zeichnen Sie Ihre Familienstruktur auf ein großes Blatt Papier. Dabei wählen Sie unterschiedlich dicke oder dünne Linien zwischen den Familienmitgliedern – je nachdem, wie gut oder schlecht deren Bindung zueinander ist. Eine gebrochene Linie wäre zum Beispiel das Zeichen für einen Konflikt.
- Die Familienaufstellung:Hierbei nehmen Sie Figuren oder neutrale Statisten als Stellvertreter für jedes Familienmitglied – auch für die eigene Person. Diese stellen Sie so zueinander auf, dass es die Beziehungen innerhalb der Familie darstellt. Familienmitglieder mit einem guten Verhältnis stehen eng beisammen. Personen, die sich den Rücken zukehren, symbolisieren einen Konflikt.
Diese Sicht von außen kann bereits die eigene Wahrnehmung der Konflikte verändern und einen Prozess auslösen. Außerdem können Sie viel klarer sehen, welche Beziehungen das Gesamtsystem besonders belasten und anhand der Schemata Lösungsansätze durchspielen.
Ist ein systemisches Coaching eine Therapie?
Systemische Beratungen oder systemische Coachings ähneln oft einer Systemischen Therapie. Auch sie versuchen die individuellen Probleme eines Menschen zu lösen, indem sie auf seine Beziehungen und sozialen Kontexte schauen. Es gibt jedoch wichtige Unterschiede:
- Seriöse Coachings und Beratungen therapieren nie psychische Krankheiten. Sie sind eine gute Lebenshilfe bei alltäglichen Problemen – können aber niemals eine echte Therapie ersetzen.
- Berufsbezeichnungen wie systemischer Coach oder systemischer Berater sind nicht gesetzlich geschützt. Das heißt, jeder Mensch darf sich einfach so nennen.
- Coachings und Beratungen werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
Wenn Sie zu einem Coach oder Berater gehen, achten Sie auf dessen berufliche Qualifikation. Ein Abschluss in Psychologie setzt eine lange und anerkannte Ausbildung voraus, auch studierte Sozialpädagogen haben oft das entsprechende Fachwissen.
Für wen ist eine Systemische Therapie sinnvoll? Welche Alternativen gibt es?
Die Systemische Therapie gehört zu den vier Therapieformen, die von deutschen Krankenkassen getragen werden. Sie stellen also zusammen mit dem Therapeuten oder der Therapeutin einen Antrag bei der Krankenkasse – und wenn diese zustimmt, übernimmt sie die vollen Kosten der Therapie.
Im Vergleich zu den anderen drei Therapierichtungen – der analytischen Psychotherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der Verhaltenstherapie – ist die systemische Therapie relativ niederschwellig. Sie kann auch bei leichteren psychischen Auffälligkeiten angewendet werden. Bewährt hat sich die Therapie vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit auffälligem Sozialverhalten, Suchterkrankungen, Essstörungen, Depressionen, Schizophrenie und psychosomatischen Erkrankungen.
Eine systemische Therapie kann bis zu 48 Sitzungen dauern, bei meist einer Sitzung pro Woche. Anders als in den meisten Therapien können die Sitzungen aber auch in unregelmäßigen und größeren Abständen stattfinden.