Viele Menschen nehmen hin und wieder Töne wahr, die andere Menschen nicht hören. Sie scheinen aus dem eigenen Kopf zu kommen. In den meisten Fällen geht der Ton so plötzlich, wie er gekommen ist. Circa drei Millionen Menschen in Deutschland haben jedoch einen chronischen Tinnitus: Bei ihnen bleiben diese Geräusche mehr als drei Monate bestehen.
Je nach Ausprägung des Tinnitus ist dieser unterschiedlich belastend. Menschen, die ständig Geräusche wahrnehmen, schlafen schlechter und haben Konzentrationsprobleme. Schätzungen zufolge haben bis zu 15 Prozent der Erwachsenen in ihrem Leben Tinnitus. Ein Fünftel von ihnen fühlt sich durch die Störtöne in ihrem Alltag eingeschränkt.
Tinnitus: Die klassischen Symptome
Wer an Tinnitus denkt, stellt sich häufig ein nerviges Piepen in den Ohren vor. Viele Tinnitus-Betroffene haben allerdings auch andere Symptome. Die Ohrgeräusche klingen wie ein:
- Summen
- Pfeifen
- Rauschen
- Brummen
- Klicken
Die meisten nehmen die Geräusche wahr, als kämen sie aus dem eigenen Kopf. Auf andere wirkt es, als erklängen die Töne außen. Manche Betroffene haben zeitgleich zum Tinnitus Hörverluste.
Tinnitus: Verschiedene Arten im Überblick
Der Begriff Tinnitus umschließt kurzfristige Ohrgeräusche genau wie lange Krankheitsverläufe. Die wichtigste Unterscheidung bezieht sich darauf, ob der Tinnitus objektiv oder subjektiv ist:
- Den objektiven Tinnitus kann der Arzt nachweisen – beispielsweise, wenn es sich um ein Geräusch in der Halsschlagader handelt. Mit dem Stethoskop können Ärzte in solchen Fällen Pulsgeräusche hören. Der objektive Tinnitus ist selten.
- Viel häufiger ist es nur der Patient selbst, der das Geräusch wahrnimmt. Dann spricht man von einem subjektiven Tinnitus.
Außerdem unterscheiden Ärzte zwischen einem primären und einem sekundären Tinnitus:
- Beim primären Tinnitus lässt sich keine Ursache feststellen.
- Ein Trommelfell ist geplatzt oder Sie waren lange viel Lärm ausgesetzt und seitdem haben Sie einen Tinnitus? Wenn eine Ursache für die Geräusche feststeht, sprechen Ärzte von einem sekundären Tinnitus.
Wichtig ist zudem, wie lange Sie Ohrgeräusche haben:
- Immer wieder hören Sie Störgeräusche? Bei einer Dauer von bis zu drei Monaten spricht man von einem akuten Tinnitus.
- Ab drei Monaten ist die Rede von einem chronischen Tinnitus.
Für die Therapieplanung bestimmt Ihr Arzt auch den Schweregrad Ihres Tinnitus. Dabei geht es weniger um die Intensität des Tons und mehr um Ihre Wahrnehmung und Ihr Leiden:
- Grad 1: Sie können den Tinnitus kompensieren – das heißt: Sie kommen mit ihm klar und leiden nur wenig unter ihm.
- Grad 2: Sie nehmen den Tinnitus in stillen Momenten wahr. Bei Belastungen stresst Sie der Ton.
- Grad 3: Sie sind dauerhaft vom Ton gestört und belastet. Das hat auch Konsequenzen für Ihr privates und berufliches Leben.
- Grad 4: Der Tinnitus ist dekompensiert. Das heißt: Sie leiden enorm unter ihm. Die meisten Patienten sind berufsunfähig bei diesem Schweregrad. Mögliche Folgeerscheinungen sind Angst, Schlafstörungen, Depressionen und Muskelverspannungen.
Ohrgeräusche: Welche Ursachen gibt es?
Es gibt viele Ursachen für einen Tinnitus, die sich je nach Tinnitus-Art unterscheiden. In einigen Fällen sind die Gründe für die Störgeräusche nicht abschließend geklärt.
Oft ist der Tinnitus eine Reaktion auf sehr laute Geräusche: Dafür reicht es, wenn Sie immer wieder laute Musik hören. Aber auch große Knälle wie bei Explosionen sind Auslöser von Tinnitus. Warum Menschen nach lautem Lärm ein Piepen oder ähnliche Geräusche im Ohr wahrnehmen, ist unklar.
Meistens heilt das Ohr ohne Behandlung von allein – die Töne verschwinden. Dann sollten Sie versuchen, laute Geräusche in Zukunft zu meiden, um den Tinnitus nicht zu verschlimmern.
Es gibt aber auch andere Gründe für den Tinnitus, die nicht mit Lärm zu tun haben:
- Haben Sie eine chronische Mittelohrentzündung oder ist bei Ihnen ein Trommelfell geplatzt? Ein Grund für die Geräusche können die gestörten Nerven im Ohr sein.
- Ist Ihr Gehörgang mit Ohrenschmalz verstopft? Hier ist eine Spülung in der HNO-Praxis eine unkomplizierte Lösung.
- Verschiedene Erkrankungen bringen Tinnitus mit sich. Die Knochenkrankheit Otosklerose schwächt die Knochen im Ohr und kann zu Hörverlust führen.
- Wenn Sie neben dem Tinnitus und Hörverlust auch noch starken Schwindel haben, ist die Menière-Krankheit möglich.
- Der Kiefer und unser Ohr sind mittels Nerven und Muskeln verbunden. Knackt Ihr Kiefer, haben Sie Fehlstellungen bei den Zähnen oder Kieferschmerzen? Diese Symptome können darauf hindeuten, dass Ihr Tinnitus mit Ihrem Kiefer zusammenhängt. In diesem Fall schickt Ihr HNO-Arzt Sie gegebenenfalls zum Kieferorthopäden.
- Haben Sie hohen Blutdruck und hören Sie den Tinnitus im Rhythmus Ihres Herzschlags? Dann ist ein Zusammenhang wahrscheinlich. Dieser Tinnitus wird pulssynchron genannt.
Welche Behandlung hilft bei Tinnitus?
Weil sich die Ursachen so unterscheiden, gibt es keine Behandlungsart, die jeden Tinnitus heilt. Ist der hohe Blutdruck schuld, verschreibt der Arzt Blutdruck senkende Medikamente. Ist eine Gefäßverengung die Ursache? Dann können die Gefäße operativ vergrößert werden. Der sekundäre Tinnitus, bei dem äußere Umstände der Grund für die Geräusche sind, ist meist besser behandelbar als der primäre Tinnitus. Weil die Auslöser ungeklärt sind, gibt es keine Medikamente, die in jedem Fall helfen. Einige Ärzte setzen bei Tinnitus Kortisone ein. Sie sollen die Durchblutung fördern und Entzündungen hemmen – die Wirkung ist aber nicht bewiesen.
Bei plötzlichem Tinnitus sollten Sie zum HNO-Arzt gehen. Eine schnelle Behandlung kann eine lange Dauer der Erkrankung frühzeitig stoppen. In der Praxis wird Ihr Gehör getestet – so kann ein gleichzeitig auftretender Hörsturz ausgeschlossen werden.
Wenn der Tinnitus andauert und Sie weder Ursache noch eine effektive Behandlung finden, lohnt sich eine kognitive Verhaltenstherapie. Dabei lernen Sie, wie Sie bestmöglich mit den Ohrgeräuschen auskommen und sich davon ablenken. Vor allem bei den Schweregraden drei und vier besteht sonst die Gefahr, dass sich Patienten aus dem Leben zurückziehen und isolieren.