Gesundheitssystem einfach erklärt
Gesundheitssystem einfach erklärt
Viele Entscheidungen der Gesundheitspolitik werden durch das Bundesgesundheitsministerium vorbereitet und den Bundestag und Bundesrat gefällt. Das Prinzip der Selbstverwaltung ist für das Gesundheitswesen aber essentiell.
Im Rahmen der Gemeinsamen Selbstverwaltung bleibt es den wesentlichen Akteuren der Gesundheitspolitik – aktuell den Verbänden der Kassenärzte und Kassenzahnärzte, der Apothekerschaft, der Krankenhäuser und den Krankenkassen auf Bundesebene – selbst überlassen, gemeinsam Regelungen zur Gestaltung und Finanzierung von Leistungen im Gesundheitswesen zu finden. In der Regel finden diese Aushandlungen im sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss statt.
Hier wird u.a. verhandelt, welche Leistungen zu Lasten der GKV erbracht und entsprechend von der Ärzteschaft mit den Kassen abgerechnet werden dürfen. Auch die verschiedenen Disease Management Programme werden im G-BA ausgearbeitet. Weiterhin nimmt der G-BA die Nutzenbewertung bei Arzneimitteln vor und verhandelt einen Erstattungsbetrag. Die Entscheidungen des G-BA sind für alle Krankenkassen bindend.
Daneben haben Krankenkassen die Möglichkeit, über Satzungsleistungen und Selektivverträge ihren Versicherten besondere Versorgungsangebote zu machen, die über den im G-BA verhandelten Leistungskatalog hinausgehen.
Auf der Lohnabrechnung wird jeden Monat Ihr Beitrag zur Krankenkasse ausgewiesen, Ihre Krankenkasse haben Sie dabei selbst gewählt. Das Geld, dass Sie und ggf. ihr Arbeitgeber zahlen, erhält allerdings nicht direkt die von Ihnen gewählte Krankenkasse, das Geld wird stattdessen unmittelbar an den sogenannten Gesundheitsfonds weitergeleitet.
Neben den Beiträgen von Versicherten und Arbeitgebern erhält der Gesundheitsfonds einen Steuerzuschuss für die sogenannten versicherungsfremden Leistungen, die die GKV zwar übernimmt, die aber nicht in ihrem originären Aufgabenbereich liegen. Dazu gehören zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Mutterschutz.
Die im Gesundheitsfonds zusammenlaufenden Gelder aus Beiträgen und Steuerzuschuss werden anschließend über den Verteilmechanismus des sogenannten Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs an die einzelnen Kassen ausgeschüttet. Dieser Mechanismus sieht vor, dass eine Krankenkasse Geld auf Basis der Krankheitslast der Versicherten erhält. So erhalten die Kassen für jeden Versicherten auf Grundlage von Alter und Geschlecht einen Grundbeitrag. Hinzu kommen Zuschläge für Erkrankungen wie z.B. Diabetes oder Bluthochdruck.
Mit diesem Verteilmechanismus werden verschiedene Ziele verfolgt: Zum einen soll so verhindert werden, dass insbesondere junge, gesunde und gutverdienende Versicherte für eine Kasse interessant sind. Weiterhin werden die Kassen dazu angehalten, gute Versorgungsangebote, insbesondere für chronische Krankheiten, zu entwickeln, um mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auszukommen.
Eine Besonderheit der Gesetzlichen Krankenversicherung ist – im Gegensatz zur Renten- und Unfallsicherung – der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Krankenkassen. Seit 1996 stehen die Krankenkassen miteinander im Wettbewerb, seither dürfen GKV-Mitglieder ihre Krankenkasse frei wählen. Zuvor war es von der Berufsgruppe abhängig, welcher Krankenkasse jemand beitreten durfte oder musste.
Mit der Einführung des Kassenwettbewerbs wollte der Gesetzgeber die Krankenkassen dazu anhalten, ihre Servicequalität zu verbessern und Innovationen ins Gesundheitswesen zu integrieren. Die Krankenkassen können ihren Versicherten nun Bonusprogramme oder Wahltarife bieten oder mit Satzungsleistungen und Selektivverträgen besondere Versorgungsangebote unterbreiten, mit denen sie sich von anderen Kassen unterscheiden können. Damit vermieden wird, dass die Kassen insbesondere junge und gesunde Versicherte aufnehmen, wurden der Gesundheitsfonds und der Morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich als Verteilmechanismus eingeführt.
Seit Einführung des Kassenwettbewerbs hat sich die Zahl der Krankenkassen bereits von 642 auf rund 90 Kassen verringert. Die Anzahl an Kassen, zwischen denen ein Versicherter wählen kann, ist aber tatsächlich geringer, da manche Krankenkassen nur Menschen offenstehen, die in bestimmten Bundesländern leben oder arbeiten (bundesweite vs. regional geöffnete Krankenkassen).
Trotz einer Vielzahl von über 90 Krankenkassen sind die Leistungen in der GKV größtenteils vereinheitlicht. Zu etwa 95% werden die Leistungen der Krankenkassen durch den Gesetzgeber oder die Gemeinsame Selbstverwaltung festgelegt. Diese Leistungen werden durch sogenannte Kollektivverträge mit der Ärzteschaft vereinbart.
Daneben gibt es aber die Möglichkeit, dass die Krankenkassen selbst Versorgung gestalten und ihren Versicherten besondere Versorgungsangebote unterbreiten.
So können die Krankenkassen mit einzelnen Leistungserbringern eigene Verträge – sogenannte Selektivverträge – vereinbaren. Bei der BIG können Versicherte beispielsweise die Geburtsvorbereitungs-App Keleya, eine Behandlung mit dem ZAP-X bei Hirntumoren oder ein Herz-Versorgungsprogramm in den Grönemeyer-Instituten in Anspruch nehmen.
Weiterhin kann die soziale Selbstverwaltung einer jeden Kasse darüber bestimmen, welche Leistungen als besondere Leistungen in die Satzung der Kasse („Satzungsleistungen“) aufgenommen werden. Bei der BIG zählen hierzu beispielsweise Reiseimpfungen oder der Zuschuss zur Professionellen Zahnreinigung.
Beides ermöglicht den Krankenkassen, im Zweifel auch schnell auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können. So hat die BIG bereits im November 2023 entschieden, dass die Kosten für die RSV-Antikörpertherapie zu übernehmen – lange, bevor die STIKO eine entsprechende Empfehlung ausarbeiten und ergänzende rechtliche Änderungen vorgenommen werden können.
Krankenkassen sind zwar Teil der sogenannten mittelbaren Staatsverwaltung – doch im Gegensatz zu staatlichen Behörden gilt in den Krankenkassen das Prinzip der Selbstverwaltung. Das heißt, dass Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber – also der Beitragszahler – zum Beispiel den hauptamtlichen Vorstand wählen, den Haushalt freigeben und entscheiden, welche Satzungsleistungen angeboten werden. Diese Aufgabe nehmen die Vertreterinnen und Vertreter auf ehrenamtlicher Basis wahr. Im Rahmen der Sozialwahlen, die alle sechs Jahre stattfinden, werden die jeweiligen Vertreterinnen und Vertreter bestimmt. Bei der BIG gilt das Prinzip der Friedenswahl, also einer Wahl ohne Wahlhandlung.
Die soziale Selbstverwaltung ist nicht zu verwechseln mit der gemeinsamen Selbstverwaltung, in welcher die wesentlichen Akteure des Gesundheitswesens u.a. aushandeln, welche Leistungen auf Kosten der GKV erbracht werden können.
Ob Renten-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung – in all diesen Sozialversicherungszweigen gibt es einen festgelegten Beitragssatz. Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung ist in § 241 des Fünften Sozialgesetzbuches festgehalten, dass der allgemeine Beitragssatz 14,6 Prozent des Lohnes beträgt. Dieser ist seit mittlerweile 2015 unverändert. Um die tatsächlich anfallenden Kosten zu decken, erheben alle Kassen einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag, den es so nur in der GKV gibt.
Mit der Einführung des Zusatzbeitrags wurden verschiedene Ziele verfolgt:
Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sollte gestärkt werden, indem die Kassen dazu angehalten sind, wirtschaftlich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen. Die Kassen müssen also für ihre Versicherten gute Versorgungs- und Informationsangebote schaffen, ihre Verwaltungskosten gering halten und alles gleichzeitig so gut managen, dass niedrige Zusatzbeiträge die Folge sind.
Aufgrund verschiedener politischer Entscheidungen in den letzten Jahren ist der Finanzbedarf der Kassen ständig gestiegen und die Einflussmöglichkeiten der Kassen auf den eigenen Zusatzbeitrag gesunken. Diese gestiegenen Kosten zwingen die Kassen dazu, bei konstantem allgemeinem Beitragssatz ihre Zusatzbeiträge anzupassen. Die Höhe des Zusatzbeitrags büßt also zunehmend an Aussagekraft hinsichtlich des Managements der Krankenkassen ein.
Anders als in der privaten Krankenversicherung bemisst sich die Beitragshöhe der Versicherten in der gesetzlichen Krankenkasse ausschließlich nach dem Einkommen und nicht danach, welches Alter oder welche Vorerkrankungen die Versicherten haben (Leistungsfähigkeitsprinzip). Aus gutem Grund: Die gesetzliche Krankenversicherung soll jedem Versicherten eine Absicherung im Krankheitsfall bieten, ohne ihn oder sie finanziell zu überlasten. Menschen mit höherem Einkommen, Gesunde und Kinderlose beteiligen sich so an den Gesundheitskosten von Menschen mit geringem Einkommen, (dauerhaft) Erkrankten und Familien mit Kindern. Durch das Umlageprinzip – das heißt, dass die Beitragsgelder, die die Versicherten zahlen, unmittelbar für die Finanzierung der Behandlungen genutzt und nicht in großen Umfang gespart oder angelegt werden – beteiligen sich darüber hinaus jüngere Arbeitnehmer an den Gesundheitskosten von Rentnern, die i.d.R. ein geringeres Einkommen haben, als Menschen, die Arbeiten gehen. Das Prinzip der Eigenverantwortung ist als wichtige Ergänzung des Solidaritätsprinzips zu sehen, da die Versicherten entsprechend gegenüber der Versichertengemeinschaft eine Pflicht haben, sich auch durch Prävention oder Eigenbeteiligungen an den eigenen Gesundheitskosten zu beteiligen.
Das Solidaritätsprinzip gilt im übrigen nicht nur in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in allen Bereichen der Sozialversicherung.