Zu viel Unruhe auf Frühchenstationen
Kommt ein Baby vor der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Welt, ist es eine Frühgeburt. Je früher die Geburt stattfindet, umso geringer sind die Überlebenschancen eines Kindes und desto größer und langwieriger sind auch die medizinischen Interventionen auf Frühchenstationen und in Perinatal-Zentren. Diese sind notwendig, da Frühchen meist noch nicht selbstständig atmen und Nahrung zu sich nehmen können. Zudem ist meist auch die Gehirnreifung noch nicht vollständig abgeschlossen. Beatmungsgeräte und weitere Technik sind dabei unerlässlich für die medizinische Versorgung – allerdings gehen mit ihnen auch negative Aspekte einher. Denn die Geräte sorgen für eine laute und unruhige Atmosphäre, die Babys stressen können. Dadurch könnten sich laut dem Forscherteam die neuronalen Netzwerke vieler Frühgeborener nicht normal entwickeln.
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Struktur und Beruhigung bei Frühgeburten durch Musiktherapie
In der Schweizer Studie um Erstautorin Lara Lordier wurde deshalb untersucht, wie sich mithilfe von musikalischen Klängen störende sensorische Reize mindern lassen. Der Alltag der Babys sollte angenehmer und strukturierter gestaltet werden. Ein Komponist entwarf drei unterschiedliche Melodien zum Aufwachen, Einschlafen und für die Wachphase mit Instrumenten, die auf Babys nachweislich beruhigend wirken. Dazu zählen Flöte, Harfe und Glocke.
Wie lief die Frühchen-Musik-Studie ab?
Für die Studie wurde ein Teil der insgesamt 39 Frühchen fünfmal pro Woche für jeweils acht Minuten mit Hintergrundmusik über Kopfhörer beschallt. Der andere Teil bekam ebenfalls Kopfhörer aufgesetzt – allerdings hörte dieser statt der Musik weiterhin die Geräusche der Frühchenstation. Bei der Entlassung wurde bei einer abschließenden funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht, ob sich die Musik positiv auf die neuronale Entwicklung der Frühgeburten ausgewirkt hat. Die Ergebnisse wurden zudem mit Daten von Kindern verglichen, die zum errechneten Geburtstermin – und somit reif – auf die Welt kamen.
Ergebnis der Studie: Musiktherapie fördert Hirnentwicklung bei Frühchen
Heraus kam, dass speziell das sogenannte Salienz-Netzwerk – das ist die Hirnregion, die für Lernprozesse oder die Entwicklung sozialer Fähigkeiten von Bedeutung ist – sowie weitere wichtige Hirnregionen bei den Frühchen, die mit Musik beschallt wurden, besser ausgeprägt waren als bei der Gruppe, die keine Musik zu hören bekam.
Generell kamen die Ergebnisse der „Musik-Frühchen" denen der reifen Neugeborenen bereits sehr nahe.
Um herauszufinden, ob dieser positive Effekt der sanften Musiktherapie bestehen bleibt, will das Forscherteam die Kinder mit Eintritt ins Schulalter erneut untersuchen. Zudem will es weitere Reize, die auf Kinder angenehm und beruhigend wirken, bei Frühchen testen. So könnte sich beispielsweise elterlicher Gesang ebenfalls positiv auf die Hirnentwicklung von Frühgeborenen auswirken.
Musiktherapie auf Frühchenstationen immer noch selten
Bislang ist die Musiktherapie auf Frühchenstationen leider immer noch selten, da sie in der Regel über Spendengelder finanziert und oft live gespielt wird. Dabei bietet sie laut Frühchen-Vereinen und Kliniken weitere Vorteile:
- Live-Musik kann zum Beispiel während des Känguruhens auf den Atemrhythmus der Eltern abgestimmt werden
- Musik kann Geräusche, die innerhalb der Gebärmutter zu hören waren (intrauterine Geräusche), nachahmen
- Stärkung der Eltern-Kind-Bindung
- Herzschlag und Atmung der Babys werden ruhiger und regelmäßiger
- Stillen/Trinken fällt den Babys leichter
- Eltern verlieren schneller Sorgen und Ängste
- frühere Entlassung der Frühchen