Besonders beim ersten Kind ist es ja meist so: In der Rolle als Neu-Eltern möchte man alles richtig machen, ist oft verunsichert und – ob nun gewollt oder nicht – Familie und Freunde geben fleißig Ratschläge: „Wie, du legst dein Baby häufiger in der Nacht an? Dann ist es ja kein Wunder, dass du total erschöpft bist. Ich habe mein Baby bereits nach einem halben Jahr nachts abgestillt. Hast du nicht Angst, dass du es zu sehr verwöhnst?“
Wieso wollt ihr euer Baby nachts abstillen?
Fragt euch auf jeden Fall, wieso ihr euer Baby nachts abstillen wollt und ob ihr wirklich bereit dazu seid oder ob euch eher von Familie und Freunden dazu geraten wird. Anders gesagt: Seid ihr wirklich so erschöpft vom nächtlichen Stillen und erhofft euch durch das Abstillen mehr Schlaf oder befürchtet, dass ihr euer Kind zu sehr verwöhnt? Beide Gedanken sind natürlich berechtigt, allerdings treffen sie für gewöhnlich nicht zu.
1. Mythos: Nächtliches Stillen verwöhnt euer Baby
In den ersten zwei bis drei Lebensjahren wird euch jede Hebamme dazu raten, euer Baby so lange wie möglich zu stillen und in eurer Nähe zu haben. Dadurch hat es die besten Chancen, gesund aufzuwachsen. Ihr könnt euren Würmchen also gar nicht zu viel Nähe, Aufmerksamkeit und Muttermilch geben. Vertraut dabei auf jeden Fall immer eurer Intuition und den Bedürfnissen eures Kindes. Verlangt es nachts nach eurer Brust, ist die beste Methode, sie eurem Kind auch zu geben. Je älter euer Kind ist, umso leichter wird ihm auch das Abstillen fallen.
2. Mythos: Nachts abstillen bringt mehr Schlaf
Es klingt plausibel: Wenn ihr nachts häufiger stillt und von euren Wachphasen erschöpft seid, stillt ihr einfach ab und bekommt dadurch mehr Schlaf. So ist es aber „leider“ meist nicht. Zum einen wird euer Baby gerade in der ersten Woche, in der ihr nachts abstillt, erst mal weiterhin nach eurer Brust verlangen. Bekommt es diese nicht, wird es wahrscheinlich schreien, weinen, strampeln und euch damit beunruhigen und stressen. Und selbst wenn sich euer Kind daran gewöhnt hat, dass es nachts nicht mehr angelegt wird, wird es dadurch nicht plötzlich durchschlafen. Ganz im Gegenteil. Beim Stillen werden nämlich Schlafhormone (dazu zählt unter anderem das “Kuschelhormon” Oxytocin) ausgeschüttet, von denen euer Kind, aber auch ihr selbst, profitiert. Habt ihr eine gemütliche Stillposition im Liegen gefunden, könnt ihr während des Stillens zumindest schon wieder halb ins Land der Träume zurückkehren. 😉 Fragt euch also, ob es hier überhaupt Sinn macht, das nächtliche Abstillen auszuprobieren oder ob ihr dem Stillen nach Bedarf und damit den Bedürfnissen eures Kindes vertraut.
Unter folgenden Voraussetzungen könnt ihr es mit dem nächtlichen Abstillen ausprobieren:
Natürlich ist es dennoch wichtig, auf euren eigenen Körper zu hören. Erschöpft euch das Stillen zu sehr und könnt euch in der Nacht einfach nicht mehr damit arrangieren, kann nächtliches Abstillen sinnvoll sein. Beachtet dabei folgende Punkte: Euer Baby sollte gesund sein! Ihr habt euch mit eurem/r Partner*in abgesprochen und seid euch einig. Wichtig ist außerdem, dass ihr euch gerade in einer eher ruhigen Phase befindet. Zahnt euer Kind zum Beispiel, ist krank oder müsst ihr wichtigen Terminen gerecht werden oder Ähnliches, solltet ihr mit dem nächtlichen Abstillen warten, bis sich alles entspannt hat.
5 Tipps, wie es mit dem nächtlichen Abstillen (nach Gordon) klappen kann:
- Nächtliches Abstillen nach dem ersten Lebensjahr! Versucht so lange wie möglich, euer Baby auch nachts zu stillen. Gordon rät, dass ein Baby frühestens im Alter von einem Jahr nachts abgestillt werden sollte.
- Neues zeitliches Ritual allein reicht meist nichtBei der Abstillmethode nach Gordon gilt es, das letzte Anlegen an die Brust pro Tag so weit wie möglich nach hinten zu schieben, damit ihr dann in der Nacht länger pausieren könnt. Diese Methode hilft eurem Baby aber oft nicht, seinen neuen Rhythmus zu verinnerlichen. Wichtiger ist es daher, dass ihr euer Baby beispielsweise nicht mehr im Bett beziehungsweise im Schlafzimmer stillt, sondern auch die letzte Mahlzeit am Abend außerhalb des Schlafzimmers abhaltet. So lernt euer Kind einfacher, dass es zum Beispiel im dunkelsten Zimmer oder wenn es in euer Bett gelegt wird, keine Muttermilch mehr bekommt. Bei älteren Kindern ist es wichtig, dass ihr es ihnen bereits erklärt, dass sie die letzte Stillmahlzeit bekommen, wenn es dunkel wird und dann erst wieder, wenn es hell draußen ist.
- Stillen durch Nähe ersetzenGerade wenn sich euer Baby erst noch an die neue Nachtruhe gewöhnen muss, ist es notwendig, dass ihr euer Kind niemals allein lasst. Lasst es also bei euch schlafen und beruhigt es, wenn es weint oder unruhig ist. So signalisiert ihr ihm, dass es zwar in der Nacht keine Muttermilch mehr bekommt, aber dass es dadurch nicht an Liebe, Geborgenheit und Nestwärme einbüßt. Versucht auch dann ruhig zu bleiben, wenn euer Baby weint. Es wird sich eher von selbstsicheren und entspannten Eltern beruhigen lassen als von gestressten oder verzweifelten, die ein schlechtes Gewissen plagt. 🙂
Gordon rät außerdem dazu, dass ihr in den ersten drei Tagen des nächtlichen Abstillens euer Kind zumindest kurz an die Brust anlegt, wenn es nach dieser verlangt. Kurz bedeutet, dass es durch das Stillen nicht mehr einschlafen, sondern nur beruhigt werden sollte und dann durch sanftes Zureden, Herumtragen, Wiegen und Kuscheln zurück in den Schlaf findet. Von der vierten bis zur sechsten Nacht sollte das Stillen dann bereits ganz wegfallen. Ab der siebten Nacht sollte das Baby auch nicht mehr herumgetragen und gewogen werden. Allerdings ist auch hier Nähe weiterhin ganz elementar. Lasst euer Baby also am besten weiterhin im Familienbett oder direkt neben eurem Bett schlafen. - Kinder entwickeln sich individuellWie bei allen anderen Entwicklungsschritten auch, ist jedes Kind anders und benötigt daher auch unterschiedlich viel Zeit, sich an das nächtliche Abstillen zu gewöhnen. Während den einen Kindern nach einer Woche das nächtliche Anlegen schon nicht mehr fehlt, benötigen andere Kinder wesentlich mehr Zeit dafür. Das ist vollkommen normal.
- Versuch macht klug!Ihr habt versucht, euer Baby nachts abzustillen, aber da es schreit und unruhig ist, habt ihr euch doch wieder für das nächtliche Stillen entschieden? Dann empfindet dies auf keinen Fall als Scheitern, sondern als Versuch. Da euer Kind weiterhin nach der Brust verlangt, werdet ihr seinem Bedürfnis wieder gerecht und stärkt eure Bindung! Seid zudem stolz auf euer Kind, da es in der Lage ist, sich euch mitzuteilen. Falls ihr es noch mal versuchen wollt, wartet damit einige Tage bis Wochen. Bedenkt dabei auch, dass ihr immer wieder das gleiche Ritual vollzieht. Das gilt auch für die Personen, die in dieses Ritual involviert sind – also in der Regel Mama und Papa. Klappt es dann auch nicht, ist es sinnvoller, eurem Baby die Brust in der Nacht erst mal nicht weiter vorzuenthalten.