Inhalt
Was ist Phytotherapie?
Phytotherapie ist die gezielte medizinische Anwendung von Pflanzen und deren Bestandteilen zur Vorbeugung, Linderung oder Heilung von Krankheiten. Die Wurzeln der Pflanzenheilkunde reichen bis in die Antike zurück – bereits Hippokrates und später Hildegard von Bingen setzten Pflanzen gezielt für therapeutische Zwecke ein. Heute erlebt die Phytotherapie ein Comeback, nicht nur in der Naturheilkunde, sondern auch in der Schulmedizin, wo sie zunehmend evidenzbasiert untersucht und eingesetzt wird.
Es gibt etwa 70.000 Pflanzenarten und Teile von Pflanzen, die in der Medizin genutzt werden.
Dazu zählen:
Blüten Knospen Blätter Stängel Wurzeln Hölzer Samen Früchte
Was ist das Besondere an den Pflanzenstoffen?
Pflanzenstoffe wirken in ihrer natürlichen Form oft anders als isolierte chemische Wirkstoffe. Sie enthalten ein komplexes Gemisch aus aktiven Substanzen, die miteinander interagieren und sogenannte Synergieeffekte hervorrufen können. Die Wirkung der gesamten Pflanze ist somit manchmal größer als die Summe ihrer Einzelbestandteile. Diese Komplexität macht die Phytotherapie einzigartig, aber auch herausfordernd in der wissenschaftlichen Analyse. Häufig sind es sekundäre Pflanzenstoffe – etwa Flavonoide, Terpene oder Alkaloide – die für die therapeutische Wirkung verantwortlich sind.
Hier erfahrt übrigens das Wichtigste über Homöopathie und Anthroposophie.
Vorteile isolierter Formen
Im 19. Jahrhundert gelang es, die wirksamen Bestandteile gezielt zu isolieren und in reiner Form zu gewinnen. Das markierte einen Wendepunkt in der Arzneimittelforschung: Seitdem konnten Wirkstoffe wie Salicylsäure (aus der Weidenrinde) oder Morphin (aus dem Schlafmohn) auch industriell hergestellt werden. Viele dieser isolierten Substanzen bilden seitdem die Grundlage moderner Medikamente.
In der heutigen Phytotherapie werden daher sowohl standardisierte Extrakte ganzer Pflanzen als auch einzelne isolierte Wirkstoffe therapeutisch eingesetzt.
Bei welchen Stoffen ist die Wirksamkeit wissenschaftlich belegt?
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Komitee für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) prüfen kontinuierlich die Evidenzlage und veröffentlichen diese. Die Forschung konnte bislang für eine Reihe pflanzlicher Wirkstoffe eine gesicherte Wirksamkeit nachweisen.
Dazu zählen unter anderem:
Johanniskraut (Hypericum perforatum)
bei leichten bis mittelschweren Depressionen wirksam – nachweislich besser als Placebo.Quelle: Infos zur Studie beim ÄrzteblattGinkgo biloba
fördert die Durchblutung und kann kognitive Leistung bei Demenz verbessern.Studie: Efficacy of Ginkgo biloba extract in amyloid PET-positive patients with mild cognitive impairmentEfeu (Hedera helix)
wird erfolgreich zur Linderung von Husten eingesetzt.Quelle: Infos zur Studie bei AponetPfefferminzöl
hilft bei Reizdarmsyndrom durch entspannende Wirkung auf die Darmmuskulatur.Aktuelle Metaanalyse zur Wirksamkeit von Pfefferminzöl bei ReizdarmsyndromMistel (Viscum album)
wird in der komplementären (also ergänzenden und nicht ersetzenden) Krebstherapie verwendet – allerdings ist hier die Studienlage noch umstritten.

50 Euro für alternative Arzneimittel von der BIG!
Die BIG unterstützt euch bei natürlichen Arzneimitteln aus der Apotheke, die ärztlich verordnet und apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind. Für Medikamente der Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie steht euch jährlich ein Budget von bis zu 50 Euro zur Verfügung.
Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es?
Auch pflanzliche Arzneimittel sind nicht frei von Nebenwirkungen. Einige können allergische Reaktionen hervorrufen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen oder z. B. bei zu langer Einnahme der Gesundheit schaden. Eine fachkundige Beratung, insbesondere bei Allergien/Asthma, Risikogruppen, chronischen Erkrankungen oder Dauermedikation, ist deshalb unerlässlich.
Einige Beispiele:
- Salicylintoleranz Besonders bei Personen mit Salicylatintoleranz – einer Unverträglichkeit gegenüber Salicylaten/Acetylsalicylsäure (ASS) – sind pflanzliche Medikamente, Nahrungsergänzungs- und Lebensmittel sowie salicylhaltige Kosmetika meist unverträglich. Diese sogenannte Pseudoallergie tritt oft gemeinsam mit einer Histaminintoleranz und Reizdarm (wie leaky gut) auf.
- Risikogruppen Schwangere, Stillende, Kinder und ältere Menschen gelten als Risikogruppen. Auch bei chronischen Erkrankungen wie ME/CFS (hier besteht häufiger eine Salicyintoleranz) sollte eine Phytotherapie nur unter ärztlicher Absprache und bei Verträglichkeit erfolgen.
- Toxische Pflanzen Selbst scheinbar harmlose Heilpflanzen wie Schöllkraut können in hohen Dosen lebertoxisch wirken. Auch Bärentraubenblätter (gegen Harnwegsinfekte) stehen immer häufiger in der Kritik und sollten wenn überhaupt nur wenige Tage eingenommen werden.
Generell gilt daher, dass eine fachkundige Beratung, insbesondere bei Allergien/Asthma, Risikogruppen, chronischen Erkrankungen oder Dauermedikation, unerlässlich ist.
Welche Anwendungsformen gibt es in der Pflanzenheilkunde?
- Tee (Infus, Dekokt):klassisch und häufig verwendet bei innerlichen Beschwerden
- Tinktur:alkoholischer Auszug aus Heilpflanzen, meist tropfenweise eingenommen
- Kapseln/Tabletten:enthalten getrocknete Extrakte oder standardisierte Wirkstoffe
- Salbe/Creme/Gel:äußerliche Anwendung bei Hautproblemen, Muskel- oder Gelenkschmerzen
- Inhalate :z. B. mit ätherischen Ölen bei Atemwegserkrankungen (vorsicht bei Asthma!)
- Bäder oder Umschläge:bei Hauterkrankungen, Muskelverspannungen oder zur Beruhigung
- Saft/Sirup:z. B. bei Husten oder zur Immunstärkung
Welche Pflanzenstoffe wirken gegen welche Beschwerden?
- Erkältung: Thymian (antibakteriell), Efeu (schleimlösend), Holunderblüten (schweißtreibend), Sonnenhutkraut bzw. Echinacea (entzündungshemmend/immunstimulierend).
- Magen-Darm-Beschwerden: Kamille (entzündungshemmend), Pfefferminze (krampflösend), Kümmel (blähungslindernd).
- Schlafstörungen und Unruhe: Baldrian, Passionsblume, Melisse – beruhigend und schlaffördernd.
- Prellungen/Verstauchungen: Arnika
- Schmerzen und Entzündungen: Weidenrinde (salicylathaltig, ähnlich Aspirin/ASS), Teufelskralle (bei Gelenkschmerzen).
Was ist der Unterschied zwischen traditioneller und rationaler Phytotherapie?
Traditionelle Phytotherapie – stützt sich auf überlieferte Anwendungen („Volksheilkunde“), die oft nicht wissenschaftlich untersucht sind, aber durch jahrhundertelange Nutzung gestützt werden. Dazu zählen TCM, Ayurveda, japanische Phytotherapie (Kampō), ethnomedizinische Traditionen und Unani-Medizin.
Rationale Phytotherapie – basiert auf modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Hier werden Wirkstoffe analysiert, Dosierungen standardisiert und klinische Studien durchgeführt. Ziel ist es, pflanzliche Mittel nach denselben Kriterien wie synthetische Arzneimittel zu bewerten.
Welche Zulassungsbedingungen gelten?
In der EU unterliegen pflanzliche Arzneimittel der Zulassungspflicht nach dem Arzneimittelgesetz (AMG).
Es gibt drei Kategorien:
- 1 Vollständig zugelassene Phytopharmaka mit Nachweis von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit.
- 2 Traditionell verwendete pflanzliche Arzneimittel, bei denen kein Wirksamkeitsnachweis, aber eine 30-jährige sichere Anwendung (davon 15 Jahre in der EU) dokumentiert ist.
- 3 Apothekenpflichtige, nicht zugelassene Mischungen: nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

Zugelassene Phytotherapie-Mittel
Die Zulassung erfolgt meist über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland oder über europäische Verfahren.
