Krebspatientin mit ihrer Tochter auf dem Sofa

Wenn der Krebs in der Familie liegt: per Genanalyse das Krebsrisiko feststellen

Jährlich erkranken rund 70.000 Frauen neu an Brustkrebs und 4.000 an Eierstockkrebs. Was die Erkrankung ausgelöst hat, bleibt meist unklar. Bei ca. 20 % der Erkrankten allerdings weiß man: Sie haben eine genetische Veränderung z.B. in den sogenannten BRCA-Genen (BReast CAncer engl. Brustkrebs), die auch an ihre Kinder vererbt werden kann. In den betroffenen Familien kommen Krebserkrankungen deshalb deutlich häufiger vor und das oftmals in einem sehr frühen Alter. Wir haben mit Andrea Hahne gesprochen, die selbst von familiärem Eierstockkrebs betroffen ist und als Referentin des Vorstandes im Verein BRCA-Netzwerk - Hilfe bei familiären Krebserkrankungen e.V. tätig ist.

Interview mit Andrea Hahne, die selbst von familiär vererbtem Krebs betroffen ist und sich im Verein BRCA-Netzwerk e.V. - Hilfe bei familiären Krebserkrankungen engagiert.

Andrea Hahne aus dem Vorstand des BRCA-Netzwerks

© Tamara Pribaten / Oups

Andrea Hahne...

...ist selbst von familiär vererbtem Krebs betroffen und als Referentin des Vorstandes im Verein BRCA-Netzwerk - Hilfe bei familiären Krebserkrankungen e.V. tätig.

Frau Hahne, bei Ihnen hat eine Genanalyse ergeben, dass Sie ein familiär bedingtes hohes Risiko für Eierstockkrebs haben. Was hat es für Sie bedeutet, von diesem Risiko zu erfahren?

Das war zum einen eine gewisse Erleichterung, weil ich nun wusste, dass die Krebserkrankungen in meiner Familie eine Erklärung haben. Das andere war für mich persönlich die Situation, anhand des Genbefundes mit den Ärztinnen und Ärzten meine weitere Behandlung planen zu können. Es war mir auch möglich zu versuchen, eine Eierstockkrebserkrankung durch die Entfernung der Eierstöcke und Eileiter zu verhindern. Das habe ich als große Chance gesehen, die die Frauen meiner Familie zuvor nicht hatten. 

Gab es keine andere Option?

Für Eierstockkrebs gibt es anders als bei Brustkrebs keine wirksame Früherkennung und deswegen war es für mich die einzige Option. Das Risiko einer schwer behandelbaren Eierstockkrebserkrankung wollte ich nicht eingehen. Im Rahmen meiner Brustkrebserkrankungen habe ich mich auch für eine beidseitige Entfernung das Brustdrüsengewebes entschieden, da die Erkrankungswahrscheinlichkeit für die bisher gesunde Brust ebenfalls stark erhöht war. Das waren meine eigenen Entscheidungen nach ausgiebigen Gesprächen mit meiner Familie und den behandelnden Ärzten. Ich werbe jedoch in keiner Weise dafür, sich Organe entfernen zu lassen. Mitnichten! Dafür muss es eine deutliche Begründung geben. Es passiert leider zu häufig, dass jemand bei uns anruft und sagt, mein Arzt meint, die Brüste müssen ab und die Eierstöcke raus. Das ist aus meiner Sicht keine Entscheidungsfindung, in die die Frau ausreichend einbezogen wurde. Bei jedem Eingriff ist zwischen Nutzen und Schaden abzuwägen. Es sind geprüfte Informationen zur Verfügung zu stellen und entsprechend ehrlich darüber aufzuklären. 

Zum Beispiel bei der Entfernung der Eierstöcke?

Nicht jede Risikomutation erhöht das Eierstockkrebsrisiko. Die Entfernung der Eierstöcke wird nach Abschluss des Kinderwunsches und abhängig von der gefundenen Mutation bereits ab dem 35. Lebensjahr vorgeschlagen. Es heißt vor allem, mit allen weiteren Konsequenzen von jetzt auf gleich in die Wechseljahre zu kommen. Das kann Auswirkungen auf die Herzgesundheit haben oder die Entwicklung einer Osteoporose begünstigen. Frauen, die nicht an Brustkrebs erkrankt waren, wird daher empfohlen, Hormone zu nehmen. Der Eingriff muss also begründet sein und ich muss gut beraten werden. Medizinische Anlaufstellen sind die Zentren des Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs. Das BRCA-Netzwerk unterstützt mit dem Wissen der eigenen Erfahrung. 

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Was genau ist ein Hochrisiko-Gen?

Krebs entsteht durch Veränderungen in den Genen. Bei jedem zehnten bis zwanzigsten Fall aller Brust- und Eierstockkrebsfälle werden genetische Veränderungen gefunden, die auch an Kinder vererbt werden können. Häufig ist dabei das so genannte BRCA1- oder das BRCA2-Gen betroffen. Inzwischen sind viele weitere bekannt. Häufig kann trotz auffälliger Familiengeschichte noch keine Mutation entschlüsselt werden. Sowohl Mutter als auch Vater können Träger einer Genveränderung sein.

Wie groß ist das Risiko zu erkranken, wenn sich eine Veränderung in einem Risiko-Gen bestätigt?

Das ist hoch. Mit einer krankheitsverursachenden Mutation im BRCA1-Gen erkranken durchschnittlich zwischen 60 und 80 von 100 Personen im Verlauf ihres Lebens an Brustkrebs, mit verändertem BRCA2-Gen erkranken zwischen 45 und 80 von 100 Personen. In der Normalbevölkerung liegt das Risiko bei 13 von 100 Personen. Auch Männer können an Brustkrebs erkranken. Zudem ist das Risiko einer Mutationsträgerin für eine zweite Krebserkrankung um das bis zu Fünffache erhöht. 

Sie engagieren sich in Verein BRCA-Netzwerk - Hilfe bei familiären Krebserkrankungen e.V., der Austausch- und Informationsmöglichkeiten für Betroffene schaffen will. Wie sind Sie zum BRCA-Netzwerk gekommen?

Aufgrund der eigenen Familiensituation. Meine Großmutter und zwei Tanten sind an Eierstockkrebs erkrankt und verstorben. Dazu kam meine eigene Brustkrebserkrankung in 2005. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar die Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs, aber dies lange noch nicht so ausgeprägt und gut erreichbar wie heute. Auch der Informationsstand war damals noch deutlich schlechter als heute. Ich bin in Eigeninitiative zu einem Zentrum gefahren. Dort hat man gesehen, dass meine Familiengeschichte durchaus auffällig ist und hat mir eine genetische Testung angeboten Diese habe ich durchführen lassen. Bei mir wurde eine Mutation in einem Hochrisiko-Gen nachgewiesen. 

In welchen Fällen sollte ich abklären, ob ich möglicherweise eine genetische Disposition für eine Krebserkrankung habe?

Krebs ist eigentlich eine Erkrankung des Alters. Deswegen sollte man aufmerksam sein, wenn Krebserkrankungen früh auftreten, also unter 50 Jahren. Auch eine Häufung in der Familie, also wenn mehrere an Krebs erkranken oder eine Person verschiedene Krebserkrankungen hatte, kann das ein Hinweis sein. Auf unserer Netzwerkseite gibt es dazu detaillierte Ausführungen. 

Was empfehlen Sie Frauen, die ahnen, dass sie Risikogene geerbt haben könnten?

Wer Sorge hat, aus einer Risikofamilie zu kommen, kann sich zunächst unverbindlich humangenetisch beraten lassen. In der Beratung wird überprüft, ob ein Gentest angeboten werden sollte. Viele schrecken vor einer Genanalyse zurück und das verstehe ich sehr gut. Daher ist es so wichtig, über die Chancen und Konsequenzen umfassend aufzuklären. Nicht jede Person mit einem erhöhten Krebsrisiko erkrankt zwangsläufig. Wenn sich ein erhöhtes Krebsrisiko bestätigt, kann man sehr viel tun, so dass Krebs früh entdeckt oder bestenfalls verhindert wird. Das BRCA-Netzwerk bietet jede Menge Unterstützung, um auch mit der Unsicherheit und der Angst vor schwerwiegenden Entscheidungen besser umgehen zu können. Ein Gentest kann außerdem zur Entlastung beitragen. Risikomutationen werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an Kinder vererbt, 50% erben folglich nicht. Meine Tochter hat sich für einen Test entschieden. Bei ihr wurde die Mutation nicht nachgewiesen. Sie hat ein ganz normales Risiko, an Krebs zu erkranken. Für uns als Familie eine riesengroße Erleichterung. Meine sehr persönlichen Entscheidungen der Behandlung waren sicher nicht immer leicht, aber mir geht es gut und ich fühle mich gesund. 

Über das BRCA-Netzwerk e.V.

Der Verein bietet Hilfe bei familiären Krebserkrankungen und informiert und berät Menschen, die fürchten, von einer familiären Krebserkrankung betroffen zu sein oder durch einen Gentest davon erfahren haben. Zum Angebot gehören Erfahrungsberichte, Infos zu rechtlichen und finanziellen Fragen, Gesprächsangebote und mehr, um Menschen informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Das Netzwerk bietet auf seiner Website umfassende Infos rund um die Krebserkrankungen:

  • Brustkrebs
  • Eierstockkrebs
  • Darmkrebs
  • Prostatakrebs
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