Kleines Mädchen guckt ausdruckslos in die Kamera

Mutismus bei Kindern: Wenn Kinder plötzlich verstummen

Die einen Kinder sind in gewohnter Umgebung redseliger als in der Öffentlichkeit und benötigen mehr Zeit um „aufzutauen“, andere haben auch unbekannten Personen gegenüber keine Hemmungen und plappern sofort drauf los. Und dann gibt es noch Kinder, die plötzlich in bestimmten Situationen oder sogar komplett verstummen, obwohl sie reden und hören können. Dann kann es sich um einen selektiven oder totalen Mutismus bei Kindern handeln.

Was bedeutet Mutismus bei Kindern?

Mutismus kommt aus dem Lateinischen „mutus“ (stumm). Man unterscheidet hierbei zwei Formen: den totalen Mutismus und den selektiven beziehungsweise elektiven Mutismus. In beiden Fällen verfügen die Betroffenen über eine ausreichende Sprachentwicklung und Hörvermögen. Daher handelt es sich beim Mutismus auch nicht um eine Sprachstörung, sondern um eine Sprechhemmung.

Unterschiede des selektiven und totalen Mutismus

Selektiver Mutismus bedeutet, dass Kinder in gewohnter Umgebung beziehungsweise mit Personen, die ihnen vertraut sind, ganz normal oder sehr viel sprechen, aber beispielsweise in der Kita oder bei einer ärztlichen Untersuchung verstummen. Schätzungen zufolge kommt der selektive Mutismus bei Kindern zwar selten vor, aber häufiger als der totale Mutismus. Bezüglich der Zahlen heißt es in einigen Quellen, dass rund jedes tausendste Kind betroffen sei, in anderen Quellen sind es sieben von tausend Kindern. Zudem sollen speziell Mädchen sowie Kinder mit Migrationshintergrund betroffen sein.

Beim totalen Mutismus spricht der/die Betroffene gar nicht mehr. Dies schließt auch phonische Leistungen wie Lachen, Weinen, Räuspern und Niesen mit ein. Der totale Mutismus kann aus einem selektiven Mutismus entstehen und kommt häufiger bei Erwachsenen als bei Kindern vor.

Nach der Psychologin und Pädagogin Torey L. Hayden kann selektiver Mutismus bei Kindern in vier Typen unterschieden werden, die zum Teil fließend ineinander übergehen und daher nicht klar voneinander abgrenzbar sind:

Symbiotischer Mutismus

Wie es der Name bereits verrät, hat das Kind beim symbiotischen Mutismus zu einer bestimmten Bezugsperson – meist zur Mutter – ein sehr enges (symbiotisches) Verhältnis. Kommt es zu einer Trennung, verweigern die betroffenen Kinder die Kommunikation mit anderen Personen.

Vater mit Karton auf dem Kopf spielt Roboter mit seinen Kindern

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Sprechangstmutismus

Bei dieser Form haben Kinder Angst davor, ihre eigene Stimme zu hören.

Reaktiver Mutismus

Reaktiver Mutismus kommt sehr selten vor und resultiert meist aus einem emotionalen Rückzug oder einer Depression. Diese wiederum entstehen beispielsweise aufgrund eines Schock-Erlebnisses wie einer plötzlichen Trennung der wichtigsten Bezugsperson(en) - hier spricht man dann vom passageren Mutismus - einer Umstellung oder durch eine traumatisierende medizinische Behandlung im Mund-Rachenraum.

Passiv-aggressiver Mutismus

Der passiv-aggressive Mutismus bezeichnet eine bewusste Sprechverweigerung, um sich gegen etwas zur Wehr zu setzen.

Weitere Mutismus-Symptome

Neben den Symptomen, die sich konkret auf das Sprechen beziehen, treten außerdem folgende Symptome häufig bei Mutismus auf:

  • Ängste, die zum Erstarren führen – dem Kind ist es unmöglich, sich mitzuteilen (wichtiger Unterschied zu einem schüchternen oder introvertierten Kind, das antwortet, wenn man es dazu auffordert).
  • große Hemmungen
  • wenig bis gar keine Emotionen
  • Stimmungsschwankungen
  • Bettnässen und Albträume

Introvertiertes Kind: Bitte nicht verbiegen!

Spätestens dann, wenn euer Kind einige Monate in die Schule geht, werdet ihr herausfinden, ob es introvertiert, extrovertiert oder eine Mischform aus beidem ist. Damit ihr seinen Bedürfnissen gerecht werdet, solltet ihr wissen, was eurem Kind gut tut und was nicht.

Die wichtigsten Tipps

Wie wird (selektiver) Mutismus diagnostiziert?

Die Diagnose Mutismus wird durch ein Ausschlussverfahren anderer möglicher Erkrankungen und mithilfe eurer und der Erfahrungen eures/eurer behandelnden Arztes/Ärztin gestellt.

Diese Erkrankungen können zu ähnlichen Beschwerden führen:

  • Sprachverlust durch hirnorganische Schäden (Tumor oder eine Gehirn-Entzündung)
  • Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit
  • Hörstummheit (Audimutitas)
  • schwere Entwicklungsstörungen wie Autismus
  • Psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie
  • Erkrankungen, die zu Sprachverlust führen wie das Heller-Syndrom oder das Landau-Kleffner-Syndrom

Zum Ausschlussverfahren zählen dann auch körperliche Untersuchungen wie zum Beispiel ein Hörtest und die Prüfung der sprachlichen Entwicklung des Kindes.

Zudem fragt euch der/die Arzt/Ärztin zum Beispiel:

  • Wann verweigert euer Kind das Sprechen?
  • Wie lange bestehen die Symptome? Beim Mutismus bestehen sie vier Wochen und länger.
  • Was genau ist im Zuge des ersten Verstummens passiert (Auslöser)?

Mutismus-Therapie bei Kindern

Je früher Mutismus erkannt wird, desto größer sind auch die Heilungschancen. Schätzungen zufolge spricht die Hälfte der an Mutismus erkrankten Kinder irgendwann wieder normal. Bei den einen Kindern dauert der Zustand nur Wochen bis Monate, bei den anderen wiederum mehrere Jahre an. Wurde die Diagnose Mutismus gestellt, wird ganz individuell entschieden, welche Therapiemaßnahmen sinnvoll sind.

Darunter fallen:

  • Familien- und Elterntherapie
  • Psychotherapie des Kindes wie Verhaltenstherapie oder Gruppentherapie, Spieltherapie, Musiktherapie, Bewegungstherapie oder Kunsttherapie
  • Begleitende (nicht alleinige) medikamentöse Therapien (u. a. Antidepressiva)
  • Neben den Eltern sollten weitere Bezugspersonen wie Großeltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen möglichst mit einbezogen oder zumindest über die Sprechstörung in Kenntnis gesetzt und ihnen Tipps an die Hand gegeben werden.

Welche Ursachen liegen Mutismus zugrunde?

Wissenschaftler*innen vermuten, dass mehrere Faktoren zu einem Mutismus bei Kindern führen können. So wird beobachtet, dass die Betroffenen oft sehr schüchtern, zurückhaltend und ängstlich sind. Zudem spielen Entwicklungsstörungen und genetische Veranlagungen eine Rolle. So sind häufig auch Geschwister und/oder Eltern zurückhaltend/gehemmt.

Einigkeit darüber, ob Mutismus ein eigenes Krankheitsbild ist oder ob es Teil einer Angststörung wie Trennungsangst (passagerer Mutismus), sozialen Phobie oder Ähnlichem ist, gibt es bislang nicht. 

 

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