Trotzphase: So übersteht ihr die Autonomiephase eures Kindes

Letzte Aktualisierung: 26. August 2025Lesezeit: 8 Minuten
Ihr habt ein Kleinkind? Es probt immer häufiger den Aufstand? Ja, die Trotzphase – auch Autonomiephase genannt – ist für Eltern sowie für Kinder kein Zuckerschlecken. Allerdings sind Wut- und Trotzanfälle nicht nur anstrengend für alle Beteiligten, sondern auch wichtig für die kindliche Entwicklung. Wir verraten euch, warum und wie ihr die Zeit gemeinsam am besten meistert.
Kleinkind mit Locken guckt trotzig in die Kamera

Inhalt

Wann beginnt die Trotzphase und wie lange dauert sie?

Wie bei allen anderen Entwicklungsschritten auch, verläuft auch die Trotzphase bei jedem Kind ganz individuell. Zwar bezieht sie sich auf das Kleinkindalter und beginnt somit ungefähr mit zwei Jahren („terrible two“) und endet mit ungefähr vier bis fünf Jahren. Allerdings heißt das nicht, dass jedes Kind in diesem Alter häufige und extreme Wutanfälle hat beziehungsweise können sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Gerade zu Beginn der Trotzphase ist es hilfreich, wenn ihr euch Folgendes bewusst macht.

Mit Beginn der Trotzphase lernen Kinder, dass sie eine eigenständige Person mit individuellen Gefühlen und Bedürfnissen sind. Zwar macht ihr Gehirn in dieser Phase große Entwicklungsschritte, allerdings braucht es beispielsweise für die Selbstregulation von Emotionen noch mehr Zeit. Das Ausprobieren à la „ich kann das schon allein!" und Grenzenaustesten durch „ich will aber!" geht allerdings weiter. Und das ist auch gut und wichtig – schließlich ist es doch toll, wenn sich euer Kind immer besser selbst anziehen, ein Brot schmieren und irgendwann allein einkaufen gehen kann. Allerdings empfindet euer Nachwuchs bei seinen Vorhaben auch viel Frust, da er häufig ausgebremst wird. Von euch, von den Gegebenheiten oder weil er auf eure Hilfe angewiesen ist – es also einfach noch nicht so gut klappt wie erhofft. Und dann macht sich ihr Frust oft durch einen ungefilterten Wut- und Trotzanfall bemerkbar. Indem ihr euer Kind motiviert und unterstützt, Schritt für Schritt selbstständiger zu werden, ihm liebevoll, aber konsequent Grenzen aufzeigt und ihr Fels in der Brandung seid, stärkt ihr euer Kind und gebt ihm die Sicherheit, die es für seine Entwicklung braucht.

Autonomie ist kein Trotz

Kinder haben kein Trotzalter. Es ist eine natürliche Entwicklung, dass sich das zwei- bis dreijährige Kind aus der kompletten Abhängigkeit von den Eltern zu einem mehr und mehr unabhängigen Individuum entwickelt, sagte der Familientherapeut Jesper Juul.

Wieso ist die Autonomiephase so wichtig?

Wie es der Name bereits verrät, lernen Kleinkinder in der Autonomiephase viele Dinge, die für ihr späteres Leben und ein soziales Miteinander unerlässlich sind. Dazu zählen zum Beispiel Grenzen zu akzeptieren, mehr und mehr Dinge eigenständig zu machen, mit Rückschlägen umzugehen und ihre Emotionen zu regulieren. All dies bedeutet auch, dass sie auf eure Hilfe angewiesen sind. Denn natürlich benötigen sie weiterhin den elterlichen Schutz, auch wenn sie ordentlich mit Wut- und Trotzanfällen dagegen rebellieren. Und je besser ihr gemeinsam durch die Trotzphase geht, desto schneller geht sie meist auch vorbei.

Was können Eltern tun, wenn ein Kind in der Trotzphase aggressiv oder impulsiv reagiert?

Wenn ein Kind in der Trotzphase haut, tritt oder Gegenstände wirft, steckt dahinter meist Überforderung oder starke Gefühle, die es noch nicht anders ausdrücken kann. Wichtig ist, zuerst für Sicherheit zu sorgen – sowohl für euer Kind als auch für euch selbst. Bleibt möglichst ruhig und zeigt, dass ihr die Situation im Griff habt.


Vermeidet es, in einen Machtkampf zu geraten, und nehmt das Verhalten nicht persönlich. Sprecht stattdessen das Gefühl eures Kindes an („Ich sehe, du bist gerade richtig wütend.“) und zeigt, dass ihr da seid. Erst wenn sich euer Kind beruhigt hat, könnt ihr in Ruhe darüber sprechen, was passiert ist, und gemeinsam überlegen, wie es beim nächsten Mal besser reagieren kann. So lernt es Schritt für Schritt, mit starken Gefühlen umzugehen.

Grundlegend haben Wut und Trotzigkeit nichts mit schlechter Erziehung zu tun. Ihr könnt sie also nicht verhindern, sondern müsst schlichtweg da durch. Nun gilt es also, aus dem „durch“ das Beste zu machen. 
Hilfreich für euch ist auch zu wissen, dass der Frust, den Kleinkinder spüren, wenn sie an ihre Grenzen stoßen, wie ein gewaltiger Wirbelsturm über sie (und über euch) hereinbricht. Sie erleben diese Situation also genau wie ihr als Ausnahmezustand.

Mehr Entspannung in der Autonomiephase

Erste-Hilfe-Tipps bei Wut- und Trotzanfällen

  1. 1 Achtet darauf, dass sich euer Kind während eines Wutanfalls nicht verletzt.
  2. 2 Ist euer Kind außer Rand und Band, kann es hilfreich sein, dass ihr in die Hocke geht und es sanft und liebevoll festhaltet. Der Körperkontakt auf Augenhöhe und die gleichzeitige Botschaft, dass ihr da seid und es beschützt, vermitteln ihm Sicherheit und Ruhe. Will es nicht festgehalten werden, zwingt es nicht.
  3. 3 Während eines Wutanfalls zu schreien oder zu schimpfen, bringt in der Regel gar nichts. Versucht stattdessen, Gefühle zu benennen und Alternativen anzubieten. Sagt in einfachen Worten, was ihr wahrnehmt: „Ich verstehe, dass du gerade wütend bist. Möchtest du, dass ich dich in die Arme nehme?“ Das genügt oft schon, damit sich euer Kind gesehen und verstanden fühlt. Wartet dann, bis sich es sich beruhigt hat.
  4. 4 Dramatisiert den Wutanfall nicht und macht euch auch nicht lustig darüber. Beides macht die Situation nur noch schlimmer.
  5. 5 Schlägt, tritt oder beißt euer Kind, unterbindet es konsequent, aber liebevoll: Beispielsweise durch sanftes Festhalten und sagt, dass ihr seine Wut versteht, aber dass Schlagen und Co. nicht in Ordnung sind, weil es euch damit verletzt. Macht deutlich, welches Verhalten nicht in Ordnung ist („Ich lasse nicht zu, dass du mich schlägst.“) und zeigt gleichzeitig, dass ihr da seid („Ich bleibe hier, bis du dich beruhigt hast.“). So lernt euer Kind, dass starke Gefühle okay sind, verletzendes Verhalten aber nicht.
  6. 6 Anzeichen wie Quengeln, Müdigkeit oder Gereiztheit verraten oft bevorstehende Ausbrüche. Lenkt euer Kind ab, kurz bevor der Sturm ausbricht: „Schau mal da drüben der süße Hund!“ oder „Kannst du mir beim Umrühren helfen? Ich schaff das nicht allein“. Kinder vergessen manchmal ganz schnell wieder, was sie eigentlich so wütend gemacht hat.
  7. 7 So schwer es euch fällt: Nehmt den Trotzanfall eures Kindes nicht persönlich. Solange ihr es nicht absichtlich provoziert/verletzt, seid ihr für seine Wut nicht verantwortlich.
  8. 8 Macht euch immer wieder bewusst: Auch euer Kind ist mit seinem Gefühlsausbruch überfordert und will euch damit weder provozieren noch ärgern oder verletzen. Versucht die Situation so zu akzeptieren, wie sie gerade ist, atmet ein paar Mal tief ein und aus, nehmt dadurch etwas Abstand vom Geschehen (Vogelperspektive) und denkt daran, dass der Wutanfall in ein paar Minuten vorüber ist. Und falls es euch tröstet: Wut- und Trotzanfälle bekommen Kinder nur bei den Menschen, denen sie vertrauen.
  9. 9 Ein Wutanfall in der Öffentlichkeit – beispielsweise im Supermarkt an der Kasse – ist der Trotzphasen-Klassiker schlechthin. Macht euch auch hier immer wieder bewusst: Ihr seid nicht allein und alle Eltern müssen da irgendwann durch.
    Mehr Tipps für ein entspanntes Einkaufen mit Kind

Wutanfälle minimieren

Neben unseren Erste-Hilfe-Tipps haben wir noch weitere Tipps, mit denen ihr zwar nicht jedem Wutanfall vorbeugen könnt, aber ihr könnt die Masse und Stärke möglicherweise abmildern:

  • Achtet auf regelmäßige Essens- und Schlafzeiten.
  • Rituale – beispielsweise beim Essenzubereiten und Zubettgehen – geben eurem Kind Geborgenheit und Sicherheit.
  • Stellt Regeln und Grenzen auf und haltet sie konsequent, aber liebevoll ein. Auch diese geben eurem Kind den Halt und die Sicherheit, die es für eine gesunde Entwicklung braucht.
  • Lebt ihm ein soziales, liebevolles und respektvolles Verhalten vor.
  • Je älter euer Kind, desto mehr könnt und sollt ihr es in Regeln einbinden und euch auf Kompromisse einigen. Sind sie abgesprochen, sollten sie ohne Diskussionen eingehalten werden.
  • Wut rauslassen, aber richtig: Beispielsweise indem ihr mit eurem Kind gemeinsam auf den Boden stampft, ins Kissen schlagt oder einen kleinen Ball gegen die Wand werft.
  • Wutsituation nach dem Anfall besprechen: Euer Kind lernt besser, mit seiner Wut umzugehen und sie zu regulieren, wenn ihr mit ihm danach darüber sprecht: „Du warst wütend, weil es mit dem Schleifenbinden noch nicht geklappt hat. Das verstehe ich. Du machst das schon sehr gut. Wir üben es einfach weiter, dann klappt es immer besser."

Nehmt euch Auszeiten

Alle Eltern kommen in der Trotzphase immer wieder an ihre Grenzen. Das ist normal, menschlich und keineswegs einfach. Versucht in der jeweiligen Situation ruhig zu bleiben, nicht zu schreien und natürlich auch keine körperliche Gewalt anzuwenden. Konzentriert euch dann auf die Erste-Hilfe-Tipps und versucht, euch zwischendurch kleine Verschnaufpausen zu nehmen. Ist eine Situation ganz akut und befindet sich noch eine weitere erwachsene Person bei eurem Kind? Dann kann es auch mal sinnvoll sein, den Ort zu verlassen, damit ihr kurz Durchatmen und eure eigenen Emotionen regulieren könnt, bevor die Situation eskaliert.
 

Tipps für den Alltag - typische Trotzphasen-Situationen meistern

  • Spielplatz-Abschied ohne Drama Statt plötzlich zu sagen „Wir gehen jetzt!“, besser: „Noch drei Mal rutschen, dann gehen wir nach Hause.“ Euer Kind hat so Vorwarnung und kann sich innerlich vorbereiten.
  • Wutanfall an der Supermarktkasse Statt schimpfen: „Ich sehe, dass du sehr wütend bist. Wir gehen jetzt kurz zur Seite, bis es wieder geht.“ Signalisiert Verständnis, aber gleichzeitig klare Grenze.
  • Wut beim Anziehen Wenn euer Kind partout die rote Hose will, sagt: „Du darfst zwischen der roten und der blauen Hose wählen.“ So hat es die Kontrolle, aber ihr bestimmt den Rahmen.
  • Übergänge erleichtern Beim Spielen zu Hause: „In 5 Minuten räumen wir die Bausteine weg. Willst du lieber jetzt anfangen oder erst, wenn der Wecker klingelt?“ Macht den Übergang vorhersehbar.
  • Einkaufswagen-Kampf Wenn euer Kind unbedingt Süßigkeiten will, könnt ihr klar machen: „Heute kaufen wir keine Schokolade. Aber du darfst dir aussuchen, ob wir Bananen oder Äpfel mitnehmen.“ Ablenkung durch Entscheidungsfreiheit.
  • Umgang mit „NEIN!“ Kind will nicht ins Bett? „Okay, ich verstehe, dass du noch nicht willst. Möchtest du erst ein Buch lesen oder dann ins Bett gehen?“ So wird das „Nein“ respektiert, aber die Richtung bleibt gleich.
  • „Ich mach das allein!“-Moment Wenn euer Kind selbst die Schuhe binden will, aber es dauert ewig: „Du darfst einen Schuh alleine zumachen, den anderen helfe ich dir.“ Das stärkt Selbstwirksamkeit, ohne dass ihr den Bus verpasst.
  • Ruhe im Streit Wenn euer Kind schreit und tobt, statt selbst laut zu werden: „Ich bleibe jetzt bei dir, bis du dich beruhigt hast.“ Elternrolle als „sicherer Hafen“ sichtbar machen.
  • Trotz beim Essen Statt Zwang: „Du musst den Brokkoli nicht aufessen. Probier nur einen kleinen Löffel – wenn er dir nicht schmeckt, ist das okay.“ So erlebt das Kind Selbstbestimmung, ihr bleibt entspannt.
  • Positives Verstärken Nach überstandenem Wutanfall: „Du hast dich toll wieder beruhigt, das war stark von dir!“ Hilft Kindern, Selbstkontrolle schrittweise zu lernen.
Verfasst von
BIG Redaktion