Kleinkind mit Locken guckt trotzig in die Kamera

Trotzphase: So übersteht ihr die Autonomiephase eures Kindes

Ihr habt ein Kleinkind? Es probt immer häufiger den Aufstand? Ja, die Trotzphase – auch Autonomiephase genannt – ist für Eltern sowie für Kinder kein Zuckerschlecken. Allerdings sind Wut- und Trotzanfälle nicht nur anstrengend für alle Beteiligten, sondern auch wichtig für die kindliche Entwicklung. Wir verraten euch, warum und wie ihr die Zeit gemeinsam am besten meistert.

Wann beginnt die Trotzphase und wann ist sie vorbei?

Wie bei allen anderen Entwicklungsschritten auch, verläuft auch die Trotzphase bei jedem Kind ganz individuell. Zwar bezieht sie sich auf das Kleinkindalter und beginnt somit ungefähr mit zwei Jahren („terrible two“) und endet mit ungefähr vier bis fünf Jahren. Allerdings heißt das nicht, dass jedes Kind in diesem Alter häufige und extreme Wutanfälle hat beziehungsweise können sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Gerade zu Beginn der Trotzphase ist es hilfreich, wenn ihr euch Folgendes bewusst macht.

Mit Beginn der Trotzphase lernen Kinder, dass sie eine eigenständige Person mit individuellen Gefühlen und Bedürfnissen sind. Zwar macht ihr Gehirn in dieser Phase große Entwicklungsschritte, allerdings braucht es beispielsweise für die Selbstregulation von Emotionen noch mehr Zeit. Das Ausprobieren à la „ich kann das schon allein!" und Grenzenaustesten durch „ich will aber!" geht allerdings weiter. Und das ist auch gut und wichtig schließlich ist es doch toll, wenn sich euer Kind immer besser selbst anziehen, ein Brot schmieren und irgendwann allein einkaufen gehen kann. Allerdings empfindet euer Nachwuchs bei seinen Vorhaben auch viel Frust, da er häufig ausgebremst wird. Von euch, von den Gegebenheiten oder weil er auf eure Hilfe angewiesen ist es also einfach noch nicht so gut klappt wie erhofft. Und dann macht sich ihr Frust oft durch einen ungefilterten Wut- und Trotzanfall bemerkbar. Indem ihr euer Kind motiviert und unterstützt, Schritt für Schritt selbstständiger zu werden, ihm liebevoll, aber konsequent Grenzen aufzeigt und ihr Fels in der Brandung seid, stärkt ihr euer Kind und gebt ihm die Sicherheit, die es für seine Entwicklung braucht.

Autonomie ist kein Trotz

Kinder haben kein Trotzalter. Es ist eine natürliche Entwicklung, dass sich das zwei- bis dreijährige Kind aus der kompletten Abhängigkeit von den Eltern zu einem mehr und mehr unabhängigen Individuum entwickelt, sagte der Familientherapeut Jesper Juul.

Wieso ist die Autonomiephase so wichtig?

Wie es der Name bereits verrät, lernen Kleinkinder in der Autonomiephase viele Dinge, die für ihr späteres Leben und ein soziales Miteinander unerlässlich sind. Dazu zählen zum Beispiel Grenzen zu akzeptieren, mehr und mehr Dinge eigenständig zu machen, mit Rückschlägen umzugehen und ihre Emotionen zu regulieren. All dies bedeutet auch, dass sie auf eure Hilfe angewiesen sind. Denn natürlich benötigen sie weiterhin den elterlichen Schutz, auch wenn sie ordentlich mit Wut- und Trotzanfällen dagegen rebellieren. Und je besser ihr gemeinsam durch die Trotzphase geht, desto schneller geht sie meist auch vorbei.

Augen zu und durch

Grundlegend haben Wut und Trotzigkeit nichts mit schlechter Erziehung zu tun. Ihr könnt sie also nicht verhindern, sondern müsst schlichtweg da durch. Nun gilt es also, aus dem „durch“ das Beste zu machen. Hilfreich für euch ist auch zu wissen, dass der Frust, den Kleinkinder spüren, wenn sie an ihre Grenzen stoßen, wie ein gewaltiger Wirbelsturm über sie (und über euch) hereinbricht. Sie erleben diese Situation also genau wie ihr als Ausnahmezustand.

Erste-Hilfe-Tipps bei Wut- und Trotzanfällen

  1. Achtet darauf, dass sich euer Kind während eines Wutanfalls nicht verletzt.
  2. Ist euer Kind außer Rand und Band, kann es hilfreich sein, dass ihr in die Hocke geht und es sanft und liebevoll festhaltet. Der Körperkontakt auf Augenhöhe und die gleichzeitige Botschaft, dass ihr da seid und es beschützt, vermitteln ihm Sicherheit und Ruhe. Will es nicht festgehalten werden, zwingt es nicht.
  3. Während eines Wutanfalls zu schreien oder zu schimpfen, bringt in der Regel gar nichts. Ihr könnt aber kurz so etwas sagen wie: „Ich verstehe, dass du gerade wütend bist. Möchtest du, dass ich dich in die Arme nehme?“ Das genügt oft schon, damit sich euer Kind gesehen und verstanden fühlt. Wartet dann, bis sich es sich beruhigt hat.
  4. Dramatisiert den Wutanfall nicht und macht euch auch nicht lustig darüber. Beides macht die Situation nur noch schlimmer.
  5. Schlägt, tritt oder beißt euer Kind, unterbindet es konsequent, aber liebevoll: Beispielsweise durch sanftes Festhalten und sagt, dass ihr seine Wut versteht, aber dass Schlagen und Co. nicht in Ordnung sind, weil es euch damit verletzt.
  6. Lenkt euer Kind während seines Wutanfalls (oder kurz bevor der Sturm ausbricht) ab: „Schau mal da drüben der süße Hund!“ oder „Kannst du mir beim Umrühren helfen? Ich schaff das nicht allein“. Kinder vergessen manchmal ganz schnell wieder, was sie eigentlich so wütend gemacht hat.
  7. So schwer es euch fällt: Nehmt den Trotzanfall eures Kindes nicht persönlich. Solange ihr es nicht absichtlich provoziert/verletzt, seid ihr für seine Wut nicht verantwortlich.
  8. Macht euch immer wieder bewusst: Auch euer Kind ist mit seinem Gefühlsausbruch überfordert und will euch damit weder provozieren noch ärgern oder verletzen. Versucht die Situation so zu akzeptieren, wie sie gerade ist, atmet ein paar Mal tief ein und aus, nehmt dadurch etwas Abstand vom Geschehen (Vogelperspektive) und denkt daran, dass der Wutanfall in ein paar Minuten vorüber ist. Und falls es euch tröstet: Wut- und Trotzanfälle bekommen Kinder nur bei den Menschen, denen sie vertrauen.
  9. Ein Wutanfall in der Öffentlichkeit – beispielsweise im Supermarkt an der Kasse – ist der Trotzphasen-Klassiker schlechthin. Macht euch auch hier immer wieder bewusst: Ihr seid nicht allein und alle Eltern müssen da irgendwann durch. Mehr Tipps für ein entspanntes Einkaufen mit Kind

Wutanfälle minimieren

Neben unseren Erste-Hilfe-Tipps haben wir noch weitere Tipps, mit denen ihr zwar nicht jedem Wutanfall vorbeugen könnt, aber ihr könnt die Masse und Stärke möglicherweise abmildern:

  • Achtet auf regelmäßige Essens- und Schlafzeiten.
  • Rituale – beispielsweise beim Essenzubereiten und Zubettgehen – geben eurem Kind Geborgenheit und Sicherheit.
  • Stellt Regeln und Grenzen auf und haltet sie konsequent, aber liebevoll ein. Auch diese geben eurem Kind den Halt und die Sicherheit, die es für eine gesunde Entwicklung braucht.
  • Lebt ihm ein soziales, liebevolles und respektvolles Verhalten vor.
  • Je älter euer Kind, desto mehr könnt und sollt ihr es in Regeln einbinden und euch auf Kompromisse einigen. Sind sie abgesprochen, sollten sie ohne Diskussionen eingehalten werden.
  • Wut rauslassen, aber richtig: Beispielsweise indem ihr mit eurem Kind gemeinsam auf den Boden stampft, ins Kissen schlagt oder einen kleinen Ball gegen die Wand werft.
  • Wutsituation nach dem Anfall besprechen: Euer Kind lernt besser, mit seiner Wut umzugehen und sie zu regulieren, wenn ihr mit ihm danach darüber sprecht: „Du warst wütend, weil es mit dem Schleifenbinden noch nicht geklappt hat. Das verstehe ich. Du machst das schon sehr gut. Wir üben es einfach weiter, dann klappt es immer besser."

Nehmt euch Auszeiten

Alle Eltern kommen in der Trotzphase immer wieder an ihre Grenzen. Das ist normal, menschlich und keineswegs einfach. Versucht in der jeweiligen Situation ruhig zu bleiben, nicht zu schreien und natürlich auch keine körperliche Gewalt anzuwenden. Konzentriert euch dann auf die Erste-Hilfe-Tipps und versucht, euch zwischendurch kleine Verschnaufpausen zu nehmen. Ist eine Situation ganz akut und befindet sich noch eine weitere erwachsene Person bei eurem Kind? Dann kann es auch mal sinnvoll sein, den Ort zu verlassen, damit ihr kurz Durchatmen und eure eigenen Emotionen regulieren könnt, bevor die Situation eskaliert. 

Kleines Mädchen schaut traurig und liegt mit dem Kopf auf dem Tisch

Verbale Gewalt: Deshalb solltet ihr eure Kinder nicht anschreien!

Natürlich ist es auf der einen Seite verständlich, dass Eltern ab einem gewissen Punkt der Geduldsfaden reißt. Ihr wünscht euch, von euren Kindern ernst genommen zu werden und dass sie begreifen, dass jedes Verhalten seine Grenzen hat und Konsequenzen nach sich zieht. Die Wahrheit ist allerdings, dass ihr mehr Schaden mit dem Anschreien anrichtet, als dass es irgendwem nützt.
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