Schülerin fasst sich während einer Prüfung verzweifelt an die Stirn

Interview: Keine Panik vor der Prüfung!

Lernen, pauken, wiederholen – und dann kommt der große Tag: die Prüfung. Bei vielen Schüler*innen und Studierenden löst der bloße Gedanke daran schon Herzklopfen aus. Doch keine Sorge: Prüfungsstress ist normal – und mit den richtigen Strategien gut zu meistern! Wir haben mit Alina König von unserem Partner mentalis gesprochen. Sie ist M.Sc. Psychologin und Psychotherapeutin in Ausbildung und weiß genau, wie man mit Prüfungsangst umgeht und mentale Stärke aufbaut.

Prüfungsstress bewältigen – Tipps von Psychologin Alina König

Alina, wie beeinflusst unsere persönliche Stresswahrnehmung unsere Leistung in Prüfungen?

Wie wir eine Prüfung einschätzen, hat großen Einfluss darauf, wie bedrohlich sie uns erscheint. Viele Prüflinge unterschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, die Prüfung positiv zu beeinflussen. Das erhöht die Stresswahrnehmung. 

Wenn wir Stress erleben, wird das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet. Das ist grundsätzlich dazu da, uns leistungsfähiger zu machen. Das Blut wird in die wichtigen Organe, wie z. B. Lunge und Gehirn geleitet. Kurzfristig werden Konzentrationsfähigkeit und Energie gesteigert. Vor einer Prüfung etwas aufgeregt zu sein, ist also grundsätzlich erstmal etwas Gutes. 

Problematisch wird es, wenn der Stress zu stark wird. Übermäßiger Stress und starke Ängste wirken sich kontraproduktiv aus und die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Wird der Stress als überwältigend oder bedrohlich empfunden, kann er zu Denkblockaden und Blackouts führen.

Das Yerkes-Dodson-Gesetz

Das Yerkes-Dodson-Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Stress (bzw. Erregung) und Leistungsfähigkeit. Die Kernaussage: Ein mittleres Stressniveau steigert die Leistung – zu wenig oder zu viel Stress dagegen senken sie. Merke: Ein bisschen Prüfungsnervosität kann dich pushen – aber zu viel Aufregung blockiert dein Denken.

Gibt es Techniken, um den Prüfungsstress zu regulieren?

Ja, wir können lernen, unsere Aufmerksamkeit zu lenken und uns auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Gerade bei Prüfungsängsten ist man ja häufig entweder mit den Gedanken in der Zukunft, z. B. bei der Sorge, eine schlechte Bewertung zu bekommen, oder in der Vergangenheit, vielleicht bei einer vergangenen unangenehmen Prüfungssituation. Das hilft uns aber nicht weiter. 

Eine gute Übung hierfür wäre zum Beispiel die 3-2-1-Übung. Dabei konzentriert man sich nacheinander auf drei Dinge, die man sieht, drei Dinge, die man hört und drei Dinge, die man spürt. Danach auf zwei Dinge, die man sieht, zwei Dinge, die man hört und zwei Dinge, die man spürt und danach nur noch eins. Diese Übung ist eine tolle Methode, sich in den gegenwärtigen Moment zu holen und z. B. Sorgen über die anstehende Prüfung zu unterbinden. 

Eine weitere hilfreiche Methode sind Atemtechniken, wie z. B. die 4-7-8-Atmung. Eine einfache Atemübung aus dem Yoga, die helfen kann, Prüfungsangst zu lindern und den Körper zu entspannen. Dafür atmet man zunächst tief und hörbar durch den Mund aus, während die Zunge den Gaumen berührt. Anschließend wird vier Sekunden lang durch die Nase eingeatmet, bei geschlossenem Mund. Danach hält man die Luft für sieben Sekunden an, bevor man langsam und vollständig für acht Sekunden durch den Mund ausatmet. Diese Technik kann helfen, den Puls zu senken und innere Ruhe zu erlangen – ideal für nervöse Prüfungsmomente.

Wie kann ich Angst in Motivation umwandeln?

Man kann Angst vor dem Versagen in eine produktive Motivation umwandeln, indem man versucht, sie in einen positiven Antrieb zu verändern. Das gelingt durch einen Perspektivwechsel: Versucht, die Prüfung als Herausforderung anstatt als Bedrohung zu sehen. Statt dem Gedanken „Ich darf nicht versagen“ nachzuhängen, sagt euch „Diese Prüfung ist eine Chance, mein Wissen zu zeigen.“ Tauscht katastrophisierende Gedanken wie „Wenn ich diese Prüfung nicht bestehe, ist alles vorbei“ gegen realistischere Gedanken wie „Diese Prüfung ist eine von vielen innerhalb der ganzen Ausbildung. Es gibt viele Möglichkeiten, mein Wissen zu zeigen.“ 

Der innere Dialog spielt insgesamt eine große Rolle. Es kann sehr hilfreich sein, sich Mut zuzusprechen („Ich habe mich gut vorbereitet, ich kann das schaffen.“). Wenn es euch schwerfällt, für euch selbst motivierende Gedanken zu finden, fragt euch „Was würde ich meiner besten Freundin in dieser Situation raten?“ Seid freundlich und ermutigend zu euch selbst!

Katastrophisierende Gedanken

Katastrophisierende Gedanken entstehen, wenn wir automatisch vom Schlimmsten ausgehen – auch wenn es dafür keine echten Hinweise gibt. Zum Beispiel: „Ich werde durchfallen, dann finde ich nie einen Job, mein ganzes Leben ist ruiniert!“ Das Problem: Solche Gedanken lösen starken Stress aus – und blockieren klares Denken und gutes Handeln. Frage dich: Wie realistisch ist das wirklich? Stoppe die Spirale – atme durch – und konzentriere dich auf das, was du wirklich beeinflussen kannst.

Und was hilft langfristig gegen Prüfungsstress?

Langfristig ist es wichtig, auf eine gute Balance im Leben zu achten. Positive Aktivitäten und Selbstfürsorge sind genauso wichtig, wie Pflichten zu erfüllen. Geht Aktivitäten nach, die euch Kraft geben. Für den einen ist es vielleicht eher ein ausgedehnter Waldspaziergang, für den anderen ein Treffen mit einer Freundin oder ins Kino gehen. Völlig egal, Hauptsache, es wird gemacht. Nur wenn man sich ausgeglichen und wohl fühlt, ist man in der Lage, stressige Phasen gut zu überstehen. 

Es gibt auch explizite Entspannungsverfahren, die, wenn man sie gut beherrscht, wie eine Superkraft wirken. Hier gibt es zum Beispiel das autogene Training, eine Art Selbsthypnose, bei der man sich durch festgelegte Formeln in einen Entspannungszustand versetzt.

mentalis CareNow – Soforthilfe bei psychischen Belastungen

Wenn ihr merkt, dass der Druck zu viel wird – holt euch Hilfe! Zum Beispiel mit mentalis CareNow, unserem kostenlosen Online-Programm. Es unterstützt euch bei Prüfungsangst, Stress und innerer Unruhe – ohne Diagnose oder ärztliche Überweisung und ohne Wartezeit.

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Wie gehe ich mit schlechten Prüfungserfahrungen um?

Frühere Erfahrungen mit Prüfungen spielen natürlich eine Rolle bei der Stressbewältigung. Wenn man schon mal unangenehme Erfahrungen in Prüfungen gesammelt hat, besteht die Gefahr, dass man diese Erfahrungen auch auf neue Prüfungssituationen überträgt. Denn eine Prüfung kann aus unterschiedlichsten Gründen mal schief gehen und das sagt nichts über die noch anstehenden Prüfungen aus. 

Analysiert lieber, woran es lag: Wart ihr überlastet oder standet unter Zeitdruck? Lag euch das Thema nicht? Hattet ihr private Baustellen? Nehmt eine negative Prüfung also vor allem als eine wichtige Lernerfahrung! 

Auf der anderen Seite könnt ihr aus positiven Erfahrungen Kraft schöpfen. Hier ist der Gedanke „Ich habe es bis hierhergeschafft, ich werde also auch diese Prüfung meistern“ ein guter Begleiter.

Was tun, wenn zu viele Sorgen den Kopf blockieren?

Manchmal belasten uns viele unterschiedliche Dinge und es ist schwer, wirklich den Kopf für eine Prüfung zu haben. Hierbei ist erstmal eine Frage wichtig: Was kann ich beeinflussen und was nicht? Einige Dinge liegen außerhalb unseres Einflussbereichs und da gilt die radikale Akzeptanz: „Dann ist das eben so!“ Ich weiß, dass das manchmal extrem schwer ist, aber wir müssen uns auf die Dinge konzentrieren, die wir auch beeinflussen können. 

Außerdem hilft es, Prioritäten zu setzen. Prüfungen finden in der Regel an einem festen Termin statt. Häufig ist es sinnvoll, sich für diese Zeit auf die Prüfung zu konzentrieren und feste Lernzeiten zu planen. Für andere Themen ist später noch Zeit.

Psychologin Alina König

© Alina König / mentalis

Alina König, M.Sc. Psychologin und Psychotherapeutin in Ausbildung

Alina kennt die Herausforderungen rund um Prüfungsstress. Sie möchte Betroffene dabei unterstützen, ihre Angst besser zu verstehen und gezielt anzugehen. Die Psychologin zeigt euch, warum ein bisschen Nervosität vor einer Prüfung völlig normal ist – und sogar hilfreich sein kann. Mit praktischen Tipps, einfachen Übungen und einer Portion Selbstfürsorge hilft sie euch, gelassen und gestärkt in jede Prüfung zu gehen.