Kinder lernen und optimieren das Sehen erst Schritt für Schritt bis ins Schulalter. Was die Augen bis dahin nicht gelernt haben, können sie später nicht mehr nachholen. Um Sehschwächen bei Kindern frühzeitig zu erkennen und eine optimale Augenentwicklung zu fördern, sollten daher alle gesetzlich empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen und eine augenärztliche Untersuchung im Alter zwischen zwei und drei Jahren wahrgenommen werden. Tragen Kinder ein erhöhtes Risiko für Augenerkrankungen oder Sehschwächen, sollte die augenärztliche Kontrolle bereits zwischen sechs und neun Monaten erfolgen. Zu den Risikofaktoren zählen Frühgeburten, erbliche Augenerkrankungen sowie starke Fehlsichtigkeit oder Schielen in der Familie.
Kinder- und Jugendvorsorge
Welche Sehschwächen und Sehstörungen bei Kindern gibt es?
Weitsichtigkeit (Hyperopie)
Viele Kinder haben eine leichte Weitsichtigkeit – sehen somit weit Entferntes sehr gut, während sie nahe Dinge nur aufgrund ihrer noch sehr elastischen Augenlinse deutlich erkennen können. Leiden sie unter starker Hyperopie, klappt das nahe Scharfsehen nur, indem sie ihre Augenmuskulatur sehr stark beanspruchen. Mögliche Symptome: Augenschmerzen, Kopfschmerzen und Schielen.
Wie wird behandelt?
Da das kindliche Auge noch wächst, benötigen Kinder bei leichter Weitsichtigkeit meist keine Brille und die Sehschwäche verschwindet häufig wieder von allein. Bei starker Weitsichtigkeit ist eine Brille notwendig, um besser sehen zu können, Schielen vorzubeugen und die Weitsichtigkeit im besten Fall wieder komplett zu heilen.
Kurzsichtigkeit (Myopie)
In den ersten Lebensjahren leiden Kinder nur selten unter Kurzsichtigkei – sehen also nah besser als weit. Allerdings kann Myopie vererbt werden. Leiden beide Eltern darunter, ist die Wahrscheinlichkeit sechs Mal so hoch, dass das Kind kurzsichtig wird. Meist beginnt die Myopie erst im Schulalter und wird deshalb auch Schulkurzsichtigkeit (Schulmyopie) genannt. Dies liegt besonders an neuen Gewohnheiten wie häufiges Schauen in Bücher, Hefte sowie auf Monitore und Displays, wodurch der Augapfel stärker wächst, was wiederum zur Kurzsichtigkeit führt. Ein weiterer Grund für Schulmyopie ist der mangelnde Aufenthalt an der frischen Luft. Ist ein Kind stark Kurzsichtig (mehr als minus sechs Dioptrien), steigt im Erwachsenenalter das Risiko von Folgeerkrankungen wie Netzhautablösung, Grünem Star (Glaukom) oder Altersabhängiger Makuladegeneration (AMD).
Wie wird behandelt?
Zum einen kann einer Kurzsichtigkeit durch regelmäßige Aufenthalte an der frischen Luft und ausreichenden Lese-, Schreib- und Bildschirmpausen vorgebeugt beziehungsweise diese minimiert werden. Eine bereits bestehende Kurzsichtigkeit bei Kindern kann zwar nicht beseitigt, aber kann und muss mit einer Brille oder Kontaktlinsen korrigiert werden. Zudem sind regelmäßige Kontrollen wichtig, um eine weitere Sehverschlechterung und möglichen Folgeerkrankungen entgegenwirken zu können.
Schielen (Strabismus)
Beim Schielen schauen die Augen des Kindes in unterschiedliche Richtungen. Strabismus entsteht entweder durch eine vererbte Fehlsteuerung der Augenmuskulatur eines Auges oder durch starke Weitsichtigkeit beziehungsweise große Brechkraftunterschiede zwischen beiden Augen. Das, was das schielende Auge sehen würde, wird meist vom Gehirn unterdrückt, wodurch sich die Sehschärfe nicht optimal entwickeln und Schwachsichtigkeit die Folge sein kann.
Wie wird behandelt?
Um eine normale Sehschärfe erreichen zu können, sollte das Schielen vor dem vierten Lebensjahr mit einer Brille behandelt werden. Außerdem wird das bessere Auge mit einem Pflaster abgeklebt, um das schwächere Auge zu trainieren (Okklusionstherapie). Wie lange die Therapie dauert, wird ganz individuell entschieden. Um mögliche Fehler oder Mogeleien zu vermeiden, gibt es spezielle Sensoren, die auf Brillenbügel oder Pflaster angebracht werden. Eine weitere Behandlungsmethode ist die Schieloperation.
Ungleichsichtigkeit (Anisometropie)
Sind beide Augen in ihrer Art und Stärke unterschiedlich fehlsichtig, besteht eine Ungleichsichtigkeit.
Wie wird behandelt?
Auch hier wird mit einer Brille gegengesteuert. Ohne Sehhilfe verschlechtert sich die Sehkraft beim schlechteren Auge immer mehr und bleibt bestehen.
Schwachsichtigkeit (Amblyopie)
Von Schwachsichtigkeit ist die Rede, wenn ein Auge schärfer sieht als das andere. Das Gehirn entscheidet sich dann für das Bild des schärfer sehenden Auges und das schwächere Auge wird nicht ausreichend trainiert, wodurch optimales räumliches Sehen nicht mehr möglich ist. Schwachsichtigkeit entwickelt sich meist durchs Schielen bis zum sechsten Lebensjahr, kann aber auch aus einer besonders auf einem Auge stärker ausgeprägten Weit- oder Kurzsichtigkeit oder einer Hornhautverkrümmung resultieren. Weitere seltene Ursachen können ein hängendes Augenlid oder der angeborene Graue Star (Katarakt) sein.
Wie wird behandelt?
Eine Schwachsichtigkeit wird mit einer Brille korrigiert. Zudem kann auch hierbei wieder eine Okklusionstherapie angewandt werden. Ebenfalls möglich ist eine Behandlung mit Augentropfen, die das Sehen des besseren Auges vorübergehend erschweren. Begleitend dazu kann das Versorgungsprogramm "Spielend besser sehen!" angewandt werden.
Online Sehtraining "Spielend besser sehen"
Das Versorgungsprogramm „Spielend besser sehen!“ ist für Kinder mit der funktionalen Sehschwäche Amblyopie entwickelt worden. Das online basierte Programm bietet Kindern die Möglichkeit, mit spannenden Therapie-Spielen die Sehkraft zu verbessern.
Farbsehstörung (Farbsinnstörung/Farbenblindheit)
Bei einer Farbsehstörung werden aufgrund eines Netzhautdefektes bestimmte Farben nur als Graustufen erkannt. Eine Farbsinnstörung ist selten und wird meist an Jungen vererbt. Am weitesten verbreitet ist dabei die Rot-Grün-Sehschwäche. Eine komplette Farbenblindheit kommt ganz selten vor. Die Farbenblindheit wird durch einen speziellen Sehtest diagnostiziert, kann aber bislang nicht geheilt werden.
Frühgeborenen-Retinopathie
Vermutlich können bei Frühgeborenen das niedrige Geburtsgewicht und eine Sauerstoffunterversorgung zur Frühgeborenen-Retinopatie (Netzhautschädigung) führen, da die Netzhautgefäße nur verlangsamt oder gar nicht in die Netzhaut einwachsen. Daraus wiederum können ein überdurchschnittliches Wachstum und Wucherungen der Netzhautgewebegefäße resultieren. Symptome der Frühgeborenen-Retinopatie können Kurzsichtigkeit, Schielen und Einblutungen in den Glaskörper des Auges sein. Um eine Narbenbildung, starke Kurzsichtigkeit und eine Ablösung der Netzhaut zu vermeiden, muss die Augenerkrankung früh erkannt werden. Je nach Schweregrad wird entschieden, ob regelmäßige Kontrollen ausreichen oder ob eine Netzhautbehandlung oder -OP erforderlich ist.
Grauer Star (Katarakt)
Auch Kinder können bereits unter dem Grauen Star leiden. Ursachen dafür sind beispielsweise die Vererbung, Stoffwechselstörungen bei Mutter und Kind, eine Röteln- oder Windpockeninfektion, Röntgenstrahlen oder Medikamente in der Schwangerschaft. Durch die Linsentrübung nehmen die Kinder alles durch einen grauen Schleier wahr. Meist bildet sich der Katarakt nicht von allein zurück und ist häufig als heller Fleck erkennbar. Auch Schielen und Lichtempfindlichkeit können Symptome des Grauen Stars sein. Die Linsen können operativ durch eine Kunstlinse ausgetauscht werden. Nur so ist es möglich, dass sich die Augen der Babys und Kinder ausreichend entwickeln können. Schon Neugeborene können unter anderem mit dem Brückner'schen Durchleuchtungstest einfach und schmerzlos auf die Augenerkrankung untersucht werden.
Bei welchen Symptomen zum Augenarzt?
Da uns Babys und Kleinkinder Augenbeschwerden noch nicht mitteilen können, sollten Sie bei folgenden Symptomen die Augen Ihres Kindes zeitnah untersuchen lassen:
- Baby, das älter als sechs Monate ist, schielt häufig mehrere Sekunden lang.
- häufiges Augenreiben, -kneifen und/oder -blinzeln
- Augenzittern
- ständige Schräglage des Kopfes
- häufiges Stolpern
- äußerliche Auffälligkeiten der Augen wie Linsentrübung, Pupillenverfärbung, Lichtempfindlichkeit, Lidveränderungen
- Farben werden nicht erkannt/verwechselt.
- Augenentzündungen