Fröhliche Grundschulkinder stehen um einen Tisch herum und machen kreative Gruppenarbeit mit Legosteinen und schauen auf ein Tablet

Sozial-emotionales Lernen – in der Schule und zu Hause

Sozial-emotionales Lernen (SEL) ist zwar neben den kognitiven Fähigkeiten für eine erfolgreiche Schullaufbahn unerlässlich, dennoch spielt es in den Lehrplänen bislang nur selten eine Rolle. Dabei nehmen emotionale und soziale Belastungen bei Kindern und Jugendlichen durch soziale Benachteiligung, Leistungsdruck, (Cyber-)Mobbing, familiäre Konflikte, Einsamkeit und Medien- und Spielsucht immer weiter zu. Sozial-emotionales Lernen kann hier gegensteuern. Lest hier, welche psychologischen Kompetenzen SEL schult und inwiefern es das gesamte Leben positiv beeinflussen kann.

Immer wieder beweisen internationale Studien, dass sozial-emotionales Lernen für Kinder und Jugendliche elementar ist, um die sozialen, emotionalen und schlussendlich auch die kognitiven Fähigkeiten zu schulen. Man kann es auch so ausdrücken: Intelligenz allein genügt nicht, um im Leben erfolgreich zu sein. Es braucht weitere Fähigkeiten wie Neugier, Kreativität und Teamfähigkeit sowie psychische und körperliche Gesundheit, um Erfolge zu verbuchen – und somit sozial-emotionale Fähigkeiten.

Was bedeutet sozial-emotionales Lernen?

Das sozial-emotionale Lernen gibt Kindern das notwendige Wissen und die Fähigkeiten mit auf den Weg, die sie benötigen, um die eigenen und die Emotionen der anderen zu verstehen, zu nutzen und dadurch positive Beziehungen zu sich und anderen aufzubauen und beispielsweise auch, um neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Fünf SEL-Kernkompetenzen

Sozial-emotionales Lernen steht laut einer vergleichenden OECD-Bewertung* für fünf Kernkompetenzen:

1. Emotionale Stabilität/Kontrolle (Neurotizismus)
2. Aufgeschlossenheit: Offenheit für Erfahrung führt z. B. zu Toleranz, Neugier, Kreativität
3. Aufgabenerfüllung/Gewissenhaftigkeit: Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein
4. Extrovertiertheit: Geselligkeit, Durchsetzungsvermögen
5. Umgänglichkeit: Kooperationsbereitschaft, Empathie, Rücksichtnahme

OECD-Bericht

Was sind die Vorteile von sozial-emotionalem Lernen?

Der Bericht „Sozial-emotionales Lernen als wichtiges Element von Lehrplänen in der EU“ der Initiative der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission (NESET) aus dem Jahr 2018 hat mithilfe zahlreicher internationaler Studien die größten Vorteile von SEL zusammengetragen.
 

Vorteile bei Kindern

  • Verbesserung der sozialen und emotionalen Kompetenzen
  • positivere Einstellung in allen Lebensbereichen
  • prosoziales Verhalten
  • bessere psychische Gesundheit (z. B. weniger Angsstörungen, Depressionen, Sucht, antisoziales Verhalten)
  • höherer Lernwille und -erfolg
  • starke Schutzfunktion speziell bei sozial benachteiligten Kindern

Bei Erwachsenen

  • höherer Bildungsabschluss
  • erfolgreicher im Beruf
  • bessere psychische Gesundheit
  • geringeres Risiko für Kriminalität und Suchtverhalten/Drogenmissbrauch

Ab wann mit SEL beginnen?

Sozial-emotionales Lernen sollte so früh wie möglich trainiert – also bereits ab dem Säuglingsalter – und dann allerdings auch beibehalten werden, damit Kinder und Jugendliche es nicht wieder verlernen. So zeigt der OECD-Bericht unter anderem, dass 10-jährige Kinder – unabhängig von Geschlecht und sozialem Hintergrund – ausgeprägtere SEL-Fähigkeiten haben als 15-jährige Kinder. 

Soziale und geschlechtsspezifische Unterschiede

Zudem gibt es bei den sozial-emotionalen Fähigkeiten Unterschiede zwischen den Geschlechtern und aufgrund der sozialen Herkunft. 

SE-Fähigkeiten bei 15-jährigen Mädchen und Jungen

  • Jungen sind kreativer als Mädchen.
  • Mädchen haben dafür ein ausgeprägteres Verantwortungsbewusstsein und eine höhere Leistungsmotivation.
  • Jungen sind durchsetzungsstärker, haben mehr Energie und eine höhere emotionale Regulation (Stressresistenz, emotional kontrollierter) und sind optimistischer.
  • Mädchen zeigen dagegen mehr Empathie, Toleranz und Teamfähigkeit/Kooperation.

Worauf die Studie nicht hinweist: Auf das Thema Sozialisation und veraltete Geschlechterrollen - die Stärken und Schwächen, mit denen wir nicht geboren, sondern die uns anerzogen und von klein auf gefördert beziehungsweise abtrainiert werden. Es gilt also, uns bei der Erziehung und im Umgang mit Kindern dafür zu sensibilisieren, ihnen losgelöst von Geschlechter-Klischees die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten zu ermöglichen. 

Unterschiede aufgrund sozialer Herkunft

Schüler aus sozial benachteiligten Verhältnissen schlossen in allen gemessenen Fähigkeiten im OECD-Vergleich schlechter ab, als Schüler, die aus höheren sozialen Schichten kommen. Vermutlich, weil benachteiligte Kinder mehr Herausforderungen zu bewältigen und weniger Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten erhalten. Letzteres liegt natürlich auch daran, dass Eltern aus besseren Verhältnissen mehr in die sozial-emotionalen Fähigkeiten ihrer Kinder investieren können. Dennoch betonen die Initiatoren des OECD-Vergleichs, dass dies natürlich nicht für jedes einzelne Kind gilt und und somit jede Situation individuell betrachtet werden muss.
 

Ergebnis des OECD-Berichts

Zwar gibt es geschlechtsspezifische und soziale Unterschiede bei Kindern und Jugendlichen, sie fallen allerdings geringer aus, als die Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Kindern. Der vergleichende OECD-Bericht macht somit deutlich, dass älteren Kindern und Jugendlichen das freie Denken und Handeln mehr und mehr abtrainiert wird und stattdessen das Einhalten der Vorschriften einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Ebenfalls zeigt sich, dass eine größere Stressresistenz, emotionale Regulierung und Optimismus mit besseren schulischen Leistungen und einem ausgeprägterem psychischem Wohlbefinden zusammenhängt. Dagegen wirken sich hohe Leistungserwartungen durch Eltern und Lehrpersonal sowie ein Mangel an Unterstützung durch das Lehrpersonal negativ auf die Leistungen und Gesundheit der Schüler*innen aus. Beispielsweise führt Prüfungsangst meist zu schlechteren Testergebnissen und emotionalen und körperlichen Problemen. 

42 Prozent der Lehrpläne verzichten trotzdem auf SEL

Die Studie “Emotional competence: The missing piece in school curricula? A systematic analysis in the German education system“* aus dem Jahr 2023 ist trotz der längst bewiesenen Vorteile von sozial-emotionalem Lernen immer noch ernüchternd: Bislang spielt nämlich in rund 42 Prozent der Lehrpläne an Schulen in Deutschland die Ausbildung sozial-emotionaler Fähigkeiten immer noch keine Rolle. Außerdem haben die Studien-Initiatoren Julius Grund und Jorrit Holst vom Institut Futur am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin festgestellt, dass die Förderung, sofern sie erfolgt, dann eher in der Grundschule stattfindet und von da an immer mehr abnimmt.

Es ist also kein Wunder, dass je älter Kinder werden, ihre Fähigkeiten, ihre eigenen Emotionen zu verstehen und zu regulieren, die Emotionen anderer besser einordnen und im Team gemeinsame Erfolge zu verbuchen, immer mehr ab- und stattdessen schulische und gesundheitliche Probleme zunehmen.

 *Die Studie wurde gefördert vom Bundesbildungsministerium und erschien im Fachmagazin International Journal of Educational Research Open.

Quelle: https://doi.org/10.1016/j.ijedro.2023.100238
 

So können Schulen und Eltern SEL fördern

  1. Alles beginnt mit euren eigenen SEL-Kompetenzen – wodurch ihr dann auch eure Kinder in ihrer Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung und ihrem Selbstmanagement unterstützen könnt. Dann sollten Kitas und Schulen folgen. Gerade wenn ihr das Gefühl habt, dass eure Kita/Schule in diesen Bereichen nicht gut aufgestellt ist, ist es umso wichtiger, dass ihr mögliche Probleme eurer Kinder gemeinsam angeht, ihre Talente und Vorlieben fördert und ihnen prosoziales Verhalten vorlebt. Die Vorbildfunktion mal wieder. ;)
    So lernen Kinder Empathie
  2. Kinder und Jugendliche sollten in die Gestaltung diverser Unterrichtseinheiten aktiv eingebunden werden, um ihr Denken und Handeln miteinander verknüpfen zu können. Denn genau das lässt Kinder leichter lernen. Auch ist Gruppenarbeit – zum Beispiel mithilfe von „Collaborative Classrooms“ ein wichtiges SEL-Tool. In diesem digitalen Klassenzimmer sind alle Schüler*innen und Lehrer*in miteinander vernetzt und arbeiten in Gruppen zusammen. So werden Teamarbeit, Zusammenhalt, Verantwortungsbewusstsein sowie Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit gefördert. Schüler*innen berichten dadurch zum Beispiel auch von einer höheren Motivation und mehr Freude am Unterricht. Mittlerweile entwickeln bereits Lehrer*innen selbst (digitale) Tools/Apps, um SEL zu fördern. :) Auch Glücksunterricht kann dazugehören
  3. Eure Schule ist immer noch nicht aktiv geworden? Als Eltern könnt ihr dem Schulpersonal zumindest mit konstruktiver Kritik begegnen. Dann liegt es an ihnen, sich mit dem Thema vertraut zu machen. Dazu gehört allerdings auch, das Lehrpersonal speziell zu schulen. Es ist also nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch der finanziellen Mittel, die den Ländern und Schulen zur Verfügung stehen.
  4. Gerade Kinder, die sozial benachteiligt sind oder Mobbing erfahren, müssen stärker unterstützt werden. Auch hier seid ihr als Eltern gefragt, Kontakt mit dem Lehrpersonal aufzunehmen und aktiv Unterstützung einzufordern, wenn diese bisher nicht erfolgt.
    10 Tipps gegen Mobbing

Psychologische Soforthilfe für Kinder ab 13 Jahren

Eurem Kind geht es psychisch nicht gut? Dann kann eine Psychotherapie sinnvoll sein. Leider kann es heutzutage mehrere Jahre dauern, bis ihr einen Therapieplatz bekommt. Zudem ist die Hemmschwelle oft groß, sich überhaupt für eine Therapie zu entscheiden. Ist euer Kind bei BIG direkt gesund versichert und zwischen 13 und 17 Jahre alt, bekommt es mit dem Programm mentalis CareNow unbürokratische Soforthilfe!
 

Was beinhaltet mentalis CareNow?

Das Programm steht eurem Kind für 12 Monate kostenlos zur Verfügung und besteht aus zwei Bereichen:

  • App mit verhaltenstherapeutischen Inhalten
  • regelmäßige Telefongespräche mit Psycholog*innen von mentalis
Kind mit entspanntem Gesichtsausdruck

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Die App von Aumio hilft Kindern spielerisch dabei, Stress zu reduzieren, achtsam mit sich selbst umzugehen und besser einzuschlafen. So stärken sie ihre mentale Gesundheit, ihr Selbstbewusstsein und wachsen entspannter auf.
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