Spätestens wenn die Geburtswehen einsetzen, ist es Zeit, den Weg ins Kranken- oder Geburtshaus anzutreten. Dann geht meist alles sehr schnell. Ärzt*innen und Hebammen versammeln sich, es folgen Anweisungen und falls notwendig medizinische Interventionen wie PDA, Damm- oder Kaiserschnitt. Hinzu kommen grelle Lichter und eine sterile Atmosphäre. Und dem nicht genug kann es dann auch noch vorkommen, dass es zwischen der werdenden Mutter und den Ärzt*innen und Hebammen nicht harmoniert.
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Was ist eine Alleingeburt?
Bei der Alleingeburt entscheidet sich die Schwangere bewusst dafür, ihr Kind komplett allein und somit weder mithilfe von Mediziner*innen und Hebammen noch durch Unterstützung des werdenden Vaters beziehungsweise der/des Partner*in, Familie oder Freund*innen zu gebären. Alleingeburten finden häufig in freier Natur – zum Beispiel in einem Gewässer oder in einem Wald – und somit fernab von menschlicher Zivilisation statt.
Wie viele Frauen entbinden unter medizinischer Aufsicht?
Bislang werden geplante Alleingeburten statistisch nicht erfasst und sind sehr selten. Nach Schätzungen liegen sie im niedrigen dreistelligen Bereich. 99 Prozent der Frauen in Deutschland beziehungsweise in ganz Europa entbinden ihre Kinder unter medizinischer Aufsicht.
Warum entscheiden sich Frauen für Freebirthing?
Frauen, die sich für eine Alleingeburt entscheiden, sind oft selbst Hebammen, Ärztinnen oder Doulas, die schon mehrere Kinder zur Welt gebracht haben.
Die meisten Alleingebärenden haben bei ihren vorherigen Geburten schlechte Erfahrungen mit dem medizinischen Personal gemacht, fühlten sich fremdbestimmt oder haben sogar verbale bis körperliche Gewalt erlebt. Verläuft die Schwangerschaft komplikationslos und geht es der werdenden Mutter und dem Baby bis kurz vor der Geburt gut, ist es daher nachvollziehbar, dass sich Betroffene mit dieser selbstbestimmten Entscheidung wohler fühlt.
Einige von ihnen wollen Frauen über Blogs und Social Media ebenfalls dazu ermutigen, dem eigenen Körper und der inneren Stimme zu vertrauen und allein zu gebären, sofern der Wunsch danach besteht und die Schwangerschaft ohne gesundheitliche Auffälligkeiten verläuft. Nun muss man hierbei aber auch betonen, dass Ärzt*innen, Hebammen und Doulas vertrauter mit dem Ablauf und möglichen Komplikationen sind als der Großteil der Frauen.
Alleingebärende Frauen müssen in der Lage sein, den Geburtsablauf bereits vorher verstehen und nachvollziehen zu können. Auch ein Notfallplan sollte dazugehören. Für die Gesundheit des Babys und der Frau.
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Alleingeburt ist ein großes Risiko
Mediziner*innen und Geburtshelfer*innen stufen in der Regel eine Alleingeburt als zu risikoreich für die Frau sowie das Ungeborene ein. Denn auch wenn bis zum Eintreten der Geburtswehen alles nach Plan verläuft, kann es immer noch zu lebensgefährlichen Komplikationen während der Geburt kommen. Zudem betonen Mediziner*innen, dass die Alleingeburt ein medizinischer Rückschritt sei.
Mögliche Komplikationen bei einer Alleingeburt
- Geburtsstillstand durch z. B. lebensgefährliche Schulterdystokie
- Nabelschnurvorfall
- plötzlicher Atemstillstand beim Kind (Gehirnschäden durch Sauerstoffmangel etc.)
- zu hoher Blutverlust bei der werdenden Mutter
- Mutter verlassen die Kräfte
Gefahr Tagesform
Keine Schwangere kann zu 100 Prozent vorhersehen, wie viel Energie sie zum Zeitpunkt der Geburt hat, ob sie nicht plötzlich vor Erschöpfung einschläft, weil die Geburt nicht voranschreitet, wie intensiv das Schmerzempfinden ist, ob sie gleichzeitig mit Darmausscheidungen und Übelkeit/Erbrechen zu kämpfen hat und ob sie rechtzeitig zum Handy greifen kann, um Hilfe zu rufen. Ihr merkt: Es gibt viele nicht-kalkulierbare zusätzliche Risiken.
Rechtslage bei einer Alleingeburt
Ihr fragt euch, ob eine Alleingeburt in Deutschland überhaupt erlaubt ist? Grundlegend ist Freebirthing in Deutschland nicht verboten – ihr könnt also den Geburtsort sowie die Geburtsart frei wählen. Dazu gehört auch, dass ihr entscheiden dürft, ob Mediziner*innen oder Hebammen anwesend sind. Ein absolutes Recht ist es allerdings nicht. Lehnt ihr also zum Beispiel trotz wissentlicher Risiken medizinische Hilfe ab, stellt dies eine Straftat dar, denn bereits ein ungeborenes Baby hat das Recht zu leben und die Gesetzeslage schützt dieses Recht.
Selbstbestimmte Hausgeburt statt Alleingeburt
Besonders wenn ihr bereits negative Erfahrungen mit Ärzt*innen und Hebammen während der Geburt gemacht habt oder euch die sterile Atmosphäre im Kreißsaal beunruhigt oder es euch stresst, andere Entbindungen mitzubekommen, gibt es auch noch einen guten Kompromiss zwischen einer Alleingeburt und der Entbindung im Krankenhaus: die selbstbestimmte Hausgeburt. So könnt ihr mit eurer Hebamme beispielsweise vereinbaren, dass sie während der Geburt nur eine untergeordnete Rolle spielt und nur dann eingreift, wenn es zu Komplikationen kommt oder ihr ausdrücklich darum bittet. Auch eine Doula oder eure Partner*innen, die sich während der Geburt ausschließlich um euer Wohlbefinden kümmern und quasi eure zweite Stimme sind, können euch bei einer selbstbestimmten Geburt unterstützen. Diese Optionen sind aus unserer Sicht wesentlich sicherer und ihr bekommt in einer Notfallsituation sofort die Unterstützung, die euer Baby und ihr benötigt – und schlussendlich euer Leben rettet.