Der Betriebsrat hat kein Initiativrecht in Bezug auf die Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung im Betrieb. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urteil vom 13.9.2022 - 1 ABR 22/21). Demnach kann der Betriebsrat die Einführung einer Arbeitszeiterfassung auch nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz bestehe nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist, so das BAG. Und das sei der Fall: Nach Ansicht des BAG besteht bereits eine gesetzliche Pflicht zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems. Diese Pflicht ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz.
Gemäß dieser Vorschrift müssen Arbeitgeber zur Planung und Durchführung von Maßnahmen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, für eine geeignete Organisation sorgen und die erforderlichen Mittel bereitstellen. Daraus leitet das BAG eine Pflicht für Arbeitgeber ab, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen.
Die BAG-Entscheidung ist durchaus brisant. Bereits im Jahr 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einzuführen, mit dem die Arbeitszeit der Beschäftigten gemessen werden kann. Diese Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber bis jetzt nicht umgesetzt. Nach bisheriger Rechtslage in Deutschland müssen zwar Überstunden und Sonntagsarbeit aufgezeichnet werden, eine flächendeckende Rechtsgrundlage zur Erfassung der kompletten Arbeitszeit fehlt bislang aber.
Mit ihrem Grundsatzurteil haben die BAG-Richter hinsichtlich der Frage der Arbeitszeiterfassung nun Fakten geschaffen, indem sie eine solche Pflicht aus dem Arbeitsschutzgesetz ableiten. Was das für die weiteren Aktivitäten des Gesetzgebers in Sachen Arbeitszeiterfassung bedeutet, bleibt abzuwarten.