Wurde ein Arbeitnehmer in einem Arbeitszeugnis mit der Note „ungenügend" beurteilt und hat der Mitarbeiter daraufhin das Zeugnis als vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung beanstandet, so darf der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zeugnisberichtigung mehr geltend machen wird. Gemäß einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg kann der Arbeitnehmer in einem solchen Fall auch zwei Jahre später noch eine Zeugnisberichtigung einklagen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Mai 2023, 4 Sa 54/22).
Im Arbeitszeugnis schwache Leistung bescheinigt
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber einem Mitarbeiter im Arbeitszeugnis für seine Tätigkeit als Produkt & Sales Engineer eine „insgesamt schwache Leistung“ attestiert und diese Beurteilung auch näher begründet. Der Arbeitnehmer beanstandete das Zeugnis Anfang Oktober 2019 zeitnah nach dessen Erteilung. Er warf dem Arbeitgeber vor, dass dieser ihn vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt habe, und verlangte Schadenersatz vom Arbeitgeber, was dieser jedoch ablehnte. Zwei Jahre später, im Oktober 2021, klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auf Berichtigung des Zeugnisses. Der Arbeitgeber war der Meinung, der Anspruch sei inzwischen verwirkt.
War der Anspruch tatsächlich verwirkt?
Das LAG Baden-Württemberg entschied, dass der Anspruch auf Zeugnisberichtigung trotz Ablauf von zwei Jahren nicht verwirkt war und weiterhin geltend gemacht werden konnte. Nach LAG-Ansicht durfte der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, dass der Kläger seinen Anspruch auf eine Zeugnisberichtigung fallengelassen hätte. Der Arbeitnehmer habe das Zeugnis zeitnah nach dessen Erteilung mit harschen Worten zurückgewiesen. Er machte dem Arbeitgeber in einem Schreiben deutlich, dass er das Zeugnis für „vollkommen unterirdisch“ halte und es „ganz offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen“ entspreche. Zudem unterstellte der Kläger dem Arbeitgeber eine Schädigungsabsicht, die nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg auch sehr naheliegend war, weil es der Arbeitgeber erkennbar darauf angelegt habe, „dem Zeugnis die Tauglichkeit zu entziehen, dem Arbeitnehmer als Grundlage für künftige Bewerbungen zu dienen“.
Vor diesem Hintergrund durfte der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG nicht darauf vertrauen, dass der Mitarbeiter von einer Weiterverfolgung seiner Ansprüche Abstand nehmen werde. Neben dem „Zeitmoment“ setzt die Verwirkung eines Anspruchs voraus, dass sich der Anspruchsgegner mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Anspruchsberechtigten darauf einrichten durfte, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitgebers bestand nach LAG-Auffassung im vorliegenden Fall nicht.
Stand: 23. November 2023